„Wie bitte?!“
Mir fiel beinah der Hörer aus der Hand.
„Na, ich weiß nicht, ich denke halt an zwei Mädchen und die – ja – die erleben halt ihre Abenteuer. So.“
Wenn Außenstehende denken, ich würde eine Kindergeschichte erzählen, habe ich das zumeist auf meine unzureichende Kompetenz, mein Konzept schlüssig darzustellen, zurückgeführt. Hätte ich nur genug Zeit und mein Gegenüber ein ausreichendes Maß an Aufmerksamkeit, würde er schon noch dahinterkommen, wovon ich eigentlich erzählen möchte.
Aber wenn mein eigener Freund die Geschichte mit den Erlebnissen von Teenie-Zwillingen auf einem Internat vergleicht, schlägt Bestürzung wie ein Blitz in mein Autorenherz ein.
Ist es denn völlig abwegig, dass meine zwei Protagonistinnen mehr als nur „Liebesabenteuer“ bestehen?
Elea Brandt hat in ihrem Beitrag zur #Autorinnenzeit einen Ausspruch Elena Ferrantes zitiert, an dem ich gedanklich hängen geblieben bin:
Männer nehmen von Frauen geschriebene Bücher als Bücher für Frauen wahr.
Nach meiner eigenen Erfahrung kann ich nun sagen: Stimmt.
Wie weitreichend sich solche und ähnliche Formen von Diskriminierung durch den Literaturbetrieb ziehen, hat Sven Hensel in seinem Aufruf zur #Autorinnenzeit ausgeführt.
Es wird Zeit anzuerkennen, dass Frauen und ihre Werke nicht nur dem klischeebehafteten Randbereich des Literaturbetriebes angehören! Aber wer hat sie denn eigentlich dahin gedrängt?
Mir kommt ein beinah unangenehmer Gedanke. Ich mache einen Selbsttest:
Alexandra schreibt eine Geschichte über zwei junge Frauen.
Alexander schreibt eine Geschichte über zwei junge Frauen.
Ich muss zugeben, dass sich meine Erwartungshaltung zwischen beiden Sätzen unterscheidet.
Und das schockiert mich.
Können weibliche Protagonisten nicht auch coole Helden eines fulminanten Fantasy-Epos‘ sein wie ihre männlichen Pendants? Und das, auch wenn die Geschichte von einer Frau geschrieben wurde?
Dass Vorurteile gegen Frauen nicht allein von Männern geschürt werden, ist oft ein Umstand, der außer Acht gelassen wird. Vielleicht sollte sich jeder selbst einmal fragen, mit welcher Lesehaltung er oder sie ein Buch in die Hand nimmt.
Von Jetzt auf Nachher mit allen Vorurteilen aufzuräumen, ist sicherlich utopisch. Aber ich will hoffen, dass durch Aufrufe wie die #Autorinnenzeit sich die Leserschaft für Vorurteile und Diskriminierung in der Literaturwelt sensibilisieren lässt.
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Die Problematik mit den Genres Frauen und Männer (ja, in der Bibliothekswelt gibt es auch diesen – stark unterrepräsentierten – Interessenskreis) ist nicht einfach aufzudröseln, das stimmt. Wenn man sich bspw. im Regal anschaut, wie viele Männer Bücher über Frauen schreiben, dann findet man dort neben Nicholas Sparks nicht besonders viele. Mangelnder Erfolg? Können Frauen besser Bücher über Frauen schreiben, weil sie besser deren Perspektive nachvollziehen und damit darstellen können? Durchaus möglich, wenn man sich bspw. den Erfolg von Rosamunde Pilcher im Verhältnis zu ihrem Sohn Robin Pilcher ansieht.
Das ist allerdings auch nur theoretische Spekulation meinerseits.
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Ich habe vor längerer Zeit einmal eine Buchreihe gelesen, die von einem jungen Mädchen handelt, das in eine traumhafte Feenwelt eintritt, dort ihren Märchenprinzen trifft etc. etc. Das alles war so voller liebevoller (und auch kitschiger) Details, dass ich ganz begeistert von dieser Welt war. Und dann erfuhren meine Freundin und ich, dass die Bücher von einem Mann geschrieben wurden – Schock! Mit einem Mal war die Lektüre von Ungläubigkeit und Ablehnung geprägt. Heute frage ich mich, warum uns das damals so aufgeregt hat…
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In einem Anflug von präpubertärer Nostalgie würde ich sagen: Weil Jungs doof sind. :-D Als junge Maid will man da nun einmal nicht wahrhaben, dass ein Junge/Mann etwas zustande bringen kann, das eine Maid begeistert.
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Da könntest du sehr gut recht haben! :D
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Stimmt so einfach mit Vorurteilen aufzuräumen geht nicht, aber ein Schritt ist besser als keiner. Außerdem denke ich das Bild hat sich bereits gebessert. Es gibt mittlerweile sehr erfolgreiche weibliche Autorinnen die kaum oder gar keine Jugendromane verfassen. Joanna Penn fällt mir spontan ein.
Es wäre schön wenn irgendwann diese Vorurteile auch von Autoren selbst überwunden werden würde.
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„Ich muss zugeben, dass sich meine Erwartungshaltung zwischen beiden Sätzen unterscheidet.“
Bei mir auch.
Es ist zuviel verlangt, daß sich von heute auf morgen die Welt verändert.
Viele Entwicklungen brauchen schier unendliche Zeit und zu allem Überfluss gibt es sogar immer wieder Rückschritte. Das bekannteste Beispiel dabei ist wohl das Atom als kleinster Baustein der Materie. Fast 2000 Jahre lang vergraben und verdrängt.
Ich gebe mich daher keine Illusionen hin. Man braucht schier endlose Geduld.
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Ich sag immer: Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung ;)
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Ich fürchte, auch DU musst einen Beitrag leisten, damit es besser wird. Immerhin eine lohnenswerte Aufgabe :-)
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Danke für deine Gedanken zum Thema! Ich stimme meinen Vorpostern zu, Vorurteile lassen sich nicht einfach so ausräumen, und ich ertappe mich selbst auch oft genug dabei, ihnen zu verfallen. Wobei ich den Namen des/der Autor/in nicht als weniger beeinflussend erlebe, als Covergestaltung und Titel. Typische „Frauencover“ mit verspielten Schriftarten, hübschen Gesichtern oder verliebten Pärchen sprechen mich überhaupt nicht an. Insofern definitiv auch ein Marketing-Problem.
Spannend finde ich übrigens, dass es tatsächlich viele AutorINNen gibt, die über männliche Protas schreiben (mich eingeschlossen), aber nur wenige Autoren mit weiblichen Protas. Zumindest komme ich zu dem Schluss, wenn ich mir mein Bücherregal ansehe.
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Vielleicht auch ein Defizit auf Seiten der Männer? Dass sie glauben, sie könnten gar nicht authentisch aus der Sicht einer Frau schreiben?
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Was ich an deinem Artikel besonders schön finde: Den Selbstversuch.
Denn das stimmt. Das ist einerseits erschreckend, andererseits auch ein kein Wunder wenn man bedenkt, mit welchen Rollenbildern auch die Generation, die jetzt Ende 20 / Anfang 30 ist, noch aufgewachsen ist. Ich nehme mich da in keinster Weise von aus, auch in meinem Kopf macht es einen Unterschied.
Das ist der Grund warum es so wichtig ist, ein Bewusstsein zu schaffen – und zwar zuerst einmal im eigenen Kopf.
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