Es ist kurz vor halb eins – nachts – und ich klappe den Laptop zu, ohne ihn herunterzufahren. Mehrere Tabs sind noch geöffnet, unter anderem der Bibliothekskatalog mit Büchern für die Prüfungen, eine unbezahlte Ebay-Rechnung und dieses eine Youtube-Video über gesunde Ernährung…
Das alles muss bis morgen warten, denn ich muss jetzt endlich schlafen!
Dennoch kann ich es nicht lassen, nach dem Buch auf meinem Nachttisch zu greifen und zu lesen. Es ist gerade Neil Gaimans Der Ozean am Ende der Straße. Ich lese das Buch zum zweiten Mal und erneut hat es mich so in den Bann gezogen, dass ich erst kurz nach ein Uhr das Licht ausmachen kann.

Warum können all die anderen mehr oder minder wichtigeren Aufgaben warten – nur das Lesen muss noch unbedingt sein?
Was macht es so bedeutsam für mich, dass ich dafür sogar ein qualvolles Aufstehen nach kurzer Nacht in Kauf nehme? Warum lese ich eigentlich?

Genau diese Frage stellte sich auch Ella Woodwater und präsentierte ihre Antworten auf ihrem Blog. Dadurch angeregt, möchte nun auch ich meine Beweggründe zum Lesen hier niederschreiben.

Wie bin ich eigentlich zum Lesen gekommen?
Auch für mich war das Vorlesen Einstieg in die Welt der Bücher. Obwohl ich für viele Hobbys durch meine Mum angeregt wurde, muss ich an dieser Stelle meinem Dad danken. Er war es, der mich stets zu Bett brachte, mit mir immer die gleichen Gute-Nacht-Lieder sang und mir zum Einschlafen vorlas.
Ich erinnere mich, wie ich an meinem achten Geburtstag Nimmerklug im Knirpsenland geschenkt bekam und er mir jeden Abend ein Abenteuer daraus vorlas. Bis mein Dad mit einem Mal in Schichten arbeitete. Plötzlich war er abends nicht mehr da, um mir zu berichten, wie es nun endlich weiterging! Nach zwei grausigen Abenden ohne Vorlesen, fasste ich einen Entschluss: Mir blieb nichts anderes übrig, als selbst zum Buch zu greifen und Buchstaben zu Worten und Worte zu Sätzen zusammenzufügen. Denn so las ich damals Anfang der zweiten Klasse noch.

Das war für mich der Aufbruch in die weite Welt der Worte und den schier unendlichen Möglichkeiten, die sich zwischen zwei Buchdeckeln verbergen können. Von da an hat mich dieses Gefühl, in eine andere Welt zu verschwinden, nicht mehr losgelassen.
Wie ein Sog ziehen mich Geschichten in ihren Bann. Ich wandle in ihnen und gebe mich ganz dem Erleben hin. Ich tauche ein und schalte ab – ein gutes Buch ist für mich Nervenkitzel, Aufregung, Spaß und Entspannung.
Bücher inspirieren mich, schaffen einen Raum zur Auseinandersetzung mit mir und dem fiktiven Geschehen und bringen Dinge zum Ausdruck, für die ich manchmal selbst keine Worte finde. Genau darin liegt ihre stetige Bereicherung für mich: Die Erfahrungen, die ich in diesen Geschichten mache, sind nicht real, aber dennoch nicht minder wertvoll.

Alex

Photo by Pixabay

25 Antworten auf „Lesesucht

  1. meine Mutter ist auch vollkommen lesesüchtig und meine jüngste Tochter ist ebenfalls voll DRAUF …

    sie gäbe ihr ganzes taschengeld für bücher aus … wenn ich ihre SUCHT nicht sponsorn würde …

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      1. sie taucht so richtig ein … in die bücher … kommt immer wieder zu mir … mal um tränen … mal um herzhaftes lachen zu teilen …

        und wenn es ganz schlimm kommt … „schreibt“ Papa auch schon mal … aus dem stehgreif die ganze story um … und sie kriegen sich am ende doch …

        selbst wenn ER vorher einen grausamen und viel zu frühen tod gestorben ist ;)

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  2. Sehr schön geschrieben. ❤ Nachts noch zum Buch zu greifen, obwohl ich schon länger wach war als gewollt, kenn ich irgendwo her. 😉 Aber lesen geht halt immer. Mit 12 oder so bin ich deshalb regelmäßig mit Buch in der Hand früh aufgewacht. 😂

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  3. Hach … Bei Lettie Hempstock MUSS man auch einfach immer weiter lesen ♥ :)
    Ich kenne das eher auch andersherum. Am Wochenende wache ich trotzdem immer recht früh auf und nutze die Zeit zum Lesen. Egal, wie müde ich noch bin, ein paar Seiten müssen gelesen werden, bevor ich aufstehe. :D

    Liebe Grüße!
    Gabriela

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      1. :D Ich bin ein riesengroßer Gaiman-Fan, ich bin da glaube etwas … parteiisch bei den Büchern. :) Aber American Gods ist großartig gewesen, Sternwanderer sowieso und seine Kurzgeschichten-Bände ein Highlight. (Besonders Smoke & Mirror (zu dt: Die Messerkönigin) )

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  4. Ich habe das nicht. Egal was es ist, abends achtzehn Uhr wird damit aufgehört. Dann wird entspannt und spätestens halb zehn ins Bett. Ich habe noch nie eine Nacht durch gemacht oder bin so lange wie du aufgeblieben. 😂

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    1. Das ist wohl der Fluch am Studenten-Dasein, wenn man keine festen Zeiten hat, wo man wann früh morgens sein muss… Da entgleitet einem schnell die strukturierte Tagesplanung^^

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  5. Meine Geschichte, wie ich zum Lesen gekommen bin ist recht ähnlich =)
    Nur hat mein Vater damals mit Absicht aufgehört mir etwas vorzulesen, weil ich mich in der Schule geweigert hatte, lesen zu lernen.

    Heute kann ich das gar nicht mehr verstehen O_O

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  6. Ja, wieso entsteht Sucht? Ob es jetzt die Sucht nach Worten ist oder etwas anderes. Ich möchte daher das Phänomen nicht aufs Lesen beschränken.
    Ich kenne viele Süchte: Informationen und Wissen anhäufen; auch nach neuen und interessanten Musiken forschen; früher sehr das Joggen; das Schach.
    Sicher gibt Dir das Lesen eine HEIMAT, etwas, in das niemand eindringen kann und das Dir gehört. Dein eigener Kokon, dein eigenes Reich. Dein …Mutterbauch vielleicht sogar. Es ist statthaft, solche Ur-Zuhause aufsuchen zu wollen.
    Als Fötus erlebtest Du (i.d.R.) vollkommene Harmonie und Aufgehobensein, es gab die eine sättigende Nahrung, das Mana, in dem alles drin war, was Du begeht hast.

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