Vielleicht schreibe ich heute über ein Problem, das keiner kennt. Denn es ist allein mein Problem. Vielleicht hilft dieser Beitrag niemandem, außer mir.

Es geht mir um vermeintliche Vorbilder. Echte Vorbilder habe ich bereits in diesem kleinen Beitrag vorgestellt und mit euch gesammelt.
Diese Autoren haben mich begeistert durch ihren Stil, ihren Einfallsreichtum, ihre Beobachtungsgabe und Wortgewandtheit. Ich lese ihre Bücher und denke mir:
Das würde ich auch gern können. 

Können ist eine Fertigkeit.
Es ist Teil des Handwerks Schreiben, sich bestimmte Fertigkeiten in Satzbau, Wortwahl und Erzählweise anzueignen. Sich dabei von den Großen inspirieren zu lassen, ihre Arbeit zu untersuchen und Herangehensweise nachzuvollziehen, ist Teil dieses Lernprozesses. Und es ist wohl auch nichts verwerflich daran, den einen oder anderen Kniff, den man entdeckt hat, in sein eigenes Schreibrepertoire aufzunehmen.

Meine vermeintlichen Vorbilder sammle ich in Form von Textauszügen und Zitaten, die ich in den letzten Jahren zusammengetragen habe. Ich weiß, dass das viele tun, „schöne“ Sätze sammeln – zur Inspiration.
Doch als ich vor wenigen Tagen meinen Hefter mit Zitaten wieder einmal aufschlug, wurde mir klar, dass ich diese Worte nicht gesammelt habe als unendliche Quelle literarischer Anregung. Ich hatte sie gelesen und mir gedacht:
Das hätte ich gern geschrieben.
Nicht in dieser Art oder auf diese Weise hätte ich gern geschrieben, sondern das, genau diese Formulierung wäre gern meine. Dieser eine Satz, dieser Auszug, diese Szene würde perfekt an genau jene Stelle meiner Geschichte passen. Und deshalb habe ich sie abgeschrieben und in einem Hefter zusammengetragen.

Aber was habe ich davon?
In meinem Kopf sind diese Zitate schnell vergessen. Sie hinterlassen keinen bleibenden Eindruck wie die Worte meiner echten Vorbilder.
Schaue ich dann doch mal in diese Sammlung fremder Worte, werde ich trübselig: Warum kann ich nicht so schreiben? Warum fallen mir nicht solche tollen Sätze ein? Die Worte schlagen mir entgegen wie ein höhnisches Lachen, dessen Echo mir zuflüstert, nicht gut genug zu sein.
Sie sind keine Inspiration, sondern Ausdruck meines neidischen Blickes auf das, was andere geschaffen haben.

Ich habe die Sammlung gestern weggeschmissen.
Ich brauche diese vermeintlichen Vorbilder nicht.
Ich möchte meine eigenen Worte finden.

Alex

Photo by Pixabay

14 Antworten auf „Mein neidvoller Blick

  1. Liebe Alex,

    ich finde es gut, dass du dich von deiner Sammlung verabschiedet hast. Wenn sie inspirierend wäre, super, aber so wie du es beschreibst, hast du es doch wirklich nicht nötig, hineinzuschauen :)

    Ich bin ganz sicher, dass du deine eigenen Worte finden wirst, Worte die dir genauso gefallen werden, wie all diese Zitate und dass es sich dann großartig, einmalig und wunderbar anfühlen wird auf selbige zu schauen und zu sagen: Das habe ich geschrieben. Ich allein.

    Viel Erfolg und liebe Grüße,
    Myriam

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    1. Liebe Myriam,
      vielen Dank für deine lieben Worte! Ein bisschen seltsam fühlt es sich schon an, die Werke anderer (auch wenn es nur Auszüge sind), in den Papierkorb zu befördern. Aber es wsr richtig so. Vielleicht kann ich einmal eine neue Sammlung anlegen – die mich mehr inspiriert ;)
      Liebe Grüße, Alex

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  2. Das klingt, als hättest du deine eigene Stimme noch nicht gefunden. Ja, ich gebe zu, es ist unheimlich schwer, das eigene Schreiben objektiv zu sehen und zu sagen „da ist es, das kann niemand so erzählen wie ich“, und ich bin auch noch auf der Suche danach. Aber es ist schon ein großer Schritt in die richtige Richtung, zu ERKENNEN, dass es diese Stimme des Autors gibt, dass sie bei jedem anders ist und somit dein bestes Werkzeug sein kann. Was Schreibtechniken betrifft, kann es gut sein, andere zu imitieren, da bin ich ganz deiner Meinung. Aber bei deinen eigenen Werken solltest du nicht wie andere schreiben wollen – sondern wie du selbst! Die Frage ist, welche Worte am besten und genauesten ausdrücken, was du sagen und vermitteln willst.

    Und ich hoffe, damit habe ich einigermaßen verständlich gemacht, was ich sagen wollte. :D Frohes Schreiben!

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    1. Liebe Vanessa,
      danke für deine ermutigenden Worte! Es ist gar nicht einfach, mit 25 Jahren und sechs Jahren Germanistik-Studium sich einzugestehen, dass man die eigene Autorenstimme noch nicht gefunden hat. Aber immerhin, jetzt kann ich mich auf die Suche machen ;)
      Liebe Grüße, Alex

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      1. Es ist ja kein Wettrennen. Ich weiß, es ist manchmal sehr schwierig, das im Kopf zu behalten, aber ich versuche immer, mich von anderen Schreibern inspirieren zu lassen anstatt eifersüchtig auf sie zu sein … Wenn du deine Stimme „noch“ nicht gefunden hast, dann hat das bestimmt seinen Grund. Der Weg, den du gehst, ist bestimmt genau der richtige für dich & zwar für dich alleine. :)

        Viel Erfolg!

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  3. Liebe Alexandra,

    ich denke, dass geht vielen Schreiberlingen so. Ich sammel solche Sätze nicht extra, aber markiere sie mir in Büchern. Ich bewundere und beneide sie gleichzeitig. Aber ich denke, du hast die richtige Entscheidung getroffen, den Ordner zu entsorgen. Wenn er nur negative Gefühle hervorruft wird er dich in deiner kreativen Entwicklung nicht vorwärts bringen. Geliebte Sätze und Zitate sollen motivieren. Motivieren zu schreiben und selbst besser zu werden, und nicht traurig stimmen.

    Liebe Grüße
    Ella

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    1. Liebe Ella,
      danke für diese Bestätigung. Ein bisschen hat es ja schon wehgetan. Ich hatte das Gefühl, die Leistung der anderen Autoren mit Füßen zu treten, indem ich ihre Worte entsorgt habe. Aber inzwischen fühle ich mich besser, einfach befreit von diesem Druck „so sein“ zu müssen.
      Danke dir, Alex

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  4. Hej Alexandra,
    ich denke mir bei jedem Buch, wie gerne würde ich auch so schreiben können. Vor ein paar Jahren habe ich mich an einem Thriller versucht. Ich habe etwa 50 Seiten geschrieben und dann fehlte mir auf mal die Inspiration. Von einer Freundin habe ich zu hören bekommen, du musst das unbedingt beenden, das ist so gut. Aber irgendwie war die Luft raus. Seit gut 16 Jahren liegen diese Seiten in meinem Bücherregal und schauen mich an. Sie bitten mich, die Geschichte zu beenden, doch ich bin noch nicht bereit dazu. Vielleicht sollte ich diese Seiten auch entsorgen und mit einer neuen Geschichte beginnen.
    Danke für deinen Gedankenanstoss und dir viel Erfolg beim Schreiben.
    LG Kerstin

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    1. Hallo Kerstin,
      es freut mich, dass mein Beitrag etwas bei dir bewegt hat. Ob du wirklich nicht weiterschreibst, musst du ganz allein entscheiden. Lass dich nicht zu etwas drängen. Schreibratgeber neigen ja auch oft dazu, so einen gewissen „Schreibzwang“ auszuüben. Aber wenn die Geschichte noch Aufforderungscharakter für sich hat – warum liest nicht einfach in die paar alten Seiten hinein und „schaust nach“, ob da noch etwas rauszuholen ist. Wenn nicht, kannst du sie js entsorgen – oder als Erinnerung behalten an erste Schreibversuche ;)
      Liebe Grüße, Alex

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  5. Ein Zitat ist im Prinzip nur ein literarischer Zehenabdruck. Du schreibst ganze Texte, was einem Fußabdruck in diesem Bereich gleichkommt.
    Deine Worte hast du damit schon lange gefunden.

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  6. Vorbilder sind wichtig, aber man sollte sich nicht an sie festhängen. Für mein Thriller-Projekt war zum Beispiel Georg Orwell ein wichtiger Anstoß, aber ich mache es dennoch zu was eigenem und schaue nicht nach wie dieser es geschrieben hat. Ich finde meinen eigenen Schreibstil, Geschichtsverlauf und Sprache. Es ist nicht immer leicht sie zu finden. Gerne gefallen einem Zitate aus seinen Vorbildern, doch es können eigene erschaffen werden – wenn der Autor sich von seinen Vorbildern loslöst. Unter Erfolgsdruck sollte man sich nicht setzen. Im besten Fall wird es ein Bestseller. Wenn nicht, dann auch nicht schlimm – Hauptsache es macht einem Spaß und man kann Menschen begeistern :)
    Die Zitatsammlung der Vorbilder wegzuwerfen ist ein guter Anfang.

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    1. Ja, das sage ich mir auch immer: Eigentlich will ich doch nur, dass da draußen ein paar Menschen davon lesen, was in meinem Kopf abgeht. Ob das nun, 10, 100 oder wer weiß wie viele sind, ist nicht wichtig ;)

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