Als ich Janas Rezension zu Lize Spits Und es schmilzt las, hatte ich das dringende Bedürfnis, eine Buchhandlung aufzusuchen.
Jedoch nicht, um dieses Buch zu kaufen.

Jana beschreibt Spits Debütroman als beklemmend, ergreifend und „atmosphärisch dicht“. Eine Erzählung aus der Jugend, die unter die Haut geht.
Eine Geschichte, wie ich sie auch gern schreiben würde: Atmosphärisch dicht.
Das klingt gut. Das klingt, als ob ich mir das einmal anschauen sollte.
Nur vom Inhalt des Buches war ich nicht sonderlich angetan.
Ob es noch ähnliche Bücher gibt, die so atmosphärisch dicht erzählen?
Ich dachte mir folgendes: Dort, wo Und es schmilzt im Regal meiner Buchhandlung des Vertrauens steht, müssen ähnliche Bücher mit ähnlichen Inhalten stehen. Gleich und gleich verkauft sich gut.
Aber wo ist ein Buch wie Und es schmilzt zu finden?
Ich bin durch die Buchhandlung gestreift, habe Präsentiertische begutachtet und Regale durchforstet. Ich habe allerhand schöne Cover und witzige Titel entdeckt. Es scheint jedoch keine extra Kategorie für verstörende Jugendromane, die eigentlich keine sind, zu geben.
Ein Verkäufer hilft mir aus: Ein kleiner Stapel Exemplare liegt auf einem Tisch, ein bisschen abseits, ein bisschen „hinten“, dort, wo es ruhiger ist. Ich befinde mich vor den Regalen mit dem aussagekräftigen Titel „Romane A-Z“. Ich habe mich hier noch nie richtig umgesehen.
Was sind das für Bücher?
Jedenfalls keine verstörenden Jugendromane. Oder welche, die „atmosphärisch dicht“ sind. Zumindest lassen sich solche Kategorien nicht erkennen.
Vielmehr handelt es sich um eine wahllose Zusammenstellung von Büchern, die offensichtlich keinem sonst bekannten und eindeutigen Genre zuzuordnen sind. Erstaunlich viele Liebesromane sind dabei, aber auch Biografien, Familienepen, Jugenddramen, Reiseberichte aus Afrika und Erzählungen vom Zweiten Weltkrieg.
Wer es nicht unter die „Klassiker“ schafft, ist auch hier anzutreffen (Das hat Umberto Eco meiner Meinung nach nicht verdient!).
Neben Und es schmilzt liegt auf der einen Seite ein Frauenroman aus dem 18. Jahrhundert und auf der anderen eine Geschichte über die Geliebte Theodor Storms.

An diesem Nachmittag suche ich noch drei weitere Buchhandlungen auf. Immer gibt es die ominöse „A-Z“-Kategorie und immer finde ich neben Und es schmilzt nichts, das auch nur im entferntesten etwas mit diesem Buch gemeinsam hat. Außer der Anfangsbuchstabe der Autorin.
Ich bin schwer enttäuscht.
Wie soll ich auf diese Weise sinnvoll nach Büchern suchen, die meinen Vorstellungen entsprechen?
Und: Hat der Autor es verdient, dass sein Werk in ein Kuddelmuddel aus Büchern gestellt wird, deren Zusammenhang ohne Regalüberschrift nicht erschließbar wäre?
Ich habe das Gefühl, vor einem schwarzen Loch zu stehen, bestehend aus vielen tausend weißen Seiten, die niemand liest, da hier niemand sinnvoll nach ihnen suchen kann. Hier, etwas abseits, etwas „hinten“, wo es ruhig, still und einsam ist.

Photo by Pixabay

8 Antworten auf „Von Anton bis Zylinder: Alles verschollen

  1. Ja, das ist manchmal schwierig … manche Bücher werden wirklich falsch oder ungenau eingeordnet oder beworben, nur weil der Verlag meint, sie so am besten verkaufen zu können. Manche Aspekte werden hervorgehoben, andere gehen unter.

    Was ich oft mache: Goodreads-Listen mit dem Buch suchen und mir dann die anderen Bücher darin anschauen. Oder Rezensionen (vor allem diese kleinen Blurbs von bekannten Autoren im Buch drin, die es loben) lesen & nachsehen, mit welchen anderen Autoren oder Werken es verglichen wird. Die schreiben meistens ähnlich oder über ähnliche Themen. Ansonsten ist es wirklich eine Schatzsuche. Die kann aber auch spannend sein!

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    1. Hallo Vanessa,
      ich glaube, ich bin nicht so der Schatzsucher :D Aber ich überlege, jemand anderen auf die Suche anzusetzen, der deutlich mehr liest und schon gelesen hat als ich. Der weiß vielleicht auch besser, was ich meine, wenn ich sage, dass ich mich in erster Linie die Sprache des Buches interessiert und nicht der Inhalt. Meinte die eine Verkäuferin auf die Aussage hin nicht, dass die Sprache in dem Buch nicht besonders wäre und empfahl mir ein anderes. Resigniert musste ich beim Reinlesen feststellen, dass sie sich auf die Dialogsprache bezog, die von vulgaren Ausdrücken und Jugendslang strotzte…
      Liebe Grüße, Alex

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      1. Ja, Leute fragen ist sicher der beste Weg! Die Verkäuferin hat offensichtlich nicht gewusst, was du gemeint hast, oder vielleicht hat sie sich einfach nicht gut genug ausgekannt …

        Viel Glück bei der Suche! :)

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  2. Hi Alexandra, das ist ja deprimierend… vielleicht kann dir eine gute Buchhändlerin (oder ein Buchhändler ;-) ) bei deiner Suche weiter helfen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Angestellten in kleinen (!) Buchhandlungen häufig wirklich viel über die Bücher und die verschiedenen Schreibstile wissen und dich sicher beraten können!
    Ansonsten ist es tatsächlich schwer, ähnliche Bücher zu finden, wenn es sich nicht um den gleichen Autor handelt und die Bücher daher neben einander stehen.
    Ich wünsche dir viel Glück!

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    1. Hallo,
      ja, ich werde mich wohl mal richtig umschauen müssen. Vielleicht finde ich hier auf WP bei der einen ofer anderen Rezension noch Anregung für ähnliche Bücher. Die Kompentenz von Verkäufern ist auf jeden Fall sehr unterschiedlich, das musste ich auch schon feststellen. LG

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  3. Einen Grund für „Romane A-Z“ im Bibliotheksalltag möchte ich hier kurz anfügen: Aktualität und Platz.
    Es gibt viele Bibliotheken, die nach folgendem Schema vorgehen: Erst wird ein neuer Roman direkt als Bestseller/Aktuelles/etc. für den Zeitraum von bis zu einem Jahr ausgestellt. Danach macht er anderen Neuerscheinungen Platz, indem er in ein Regal wandert, in dem bereits Bücher mit ähnlichem Erscheinungsjahr und Interessenskreis stehen. Bücher, die dort maximal etwa fünf Jahre schon stehen, werden dann in den Bereich „Romane A-Z“ umgestellt. Hiernach kann dann nur noch Magazin, Makulatur oder Flohmarkt folgen.
    Auf diese Weise wechseln die Bücher in unterschiedlich „nahe“ Bereiche des Zugriffs, bleiben aber im Umlauf und man umgeht oft ein überquellendes Regal, bspw. bei den sortierten Interessenskreisen.
    Natürlich geht jede Bibliothek ein klein wenig anders dabei vor, die Rahmenbedingungen sind aber meist die selben.

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