Im Anschluss an Ella Woodwaters Beitrag über die Frage Buch oder eBook – was bevorzugen wir mehr? möchte ich gern mit euch ein ganz anderes Buchphänomen diskutieren: Hörbücher.

Noch nie davon gehört? (Ich Scherzkeks)
Wohl kaum. Hörbücher sind schon lange fester Bestandteil des Buchmarktes. Dennoch: Wenn ich an die kleine, uneinsichtige Hörbuchecke in meinem Lieblings-Thalia denke, drängt sich mir der Gedanke auf, dass die volltönigen CDs eher ein Schattendaseins fristen.
Bei mir hatten sie jedenfalls bis vor ein paar Tagen noch gar kein Dasein.

Selbst hätte ich mir ein Hörbuch wohl nie gekauft. Zu sehr war ich davon überzeugt, dass Bücher gelesen werden sollen, und nicht gehört. Das ist es, was ein echtes Leseerlebnis ausmacht.
Doch dann stolperte ich bei Spotify über eine Unmenge an Hörbüchern, die mir dort offensichtlich kostenlos zur Verfügung stehen. Wenig interessiert scrolle ich durch das Angebot. Dann: Neil Gaimans „Niemalsland“. Ich zögere noch einen Moment. Falle ich damit meiner großen Liebe für bedrucktes Papier und dem Geräusch des Seitenumschlagens in den Rücken? Dann reizt mich Gaiman doch zu sehr und ich beginne, zu lauschen.

Nach 791 Minuten bin ich um eine faszinierende „Lese“-Erfahrung reicher.
Zu Beginn war es eine ziemliche Umgewöhnung. Wenn ich lese, höre ich meine Stimme in meinem Kopf. Ich lese mir quasi selbst die Geschichte vor. Und ich lese schnell. Wenn es spannend wird, fliege ich nur so über die Seiten. Stefan Kaminski liest langsam und betont. Und: Er gibt jeder Figur eine eigene Stimme, eine eigene Betonung, ein eigenes Flair. Anfangs bin ich noch irritiert (besonders, wenn er die Frauenstimmen spricht), doch zunehmend schlägt mein Unbehagen in Begeisterung um. So viel Ausdruck und Tiefe erfahren die Charaktere in meiner selbst gelesenen Variante nicht. Ich bin mir sicher, dass ein großer Teil meiner Faszination für den Marquis de Carabas allein auf die unverwechselbare Mischung aus Höflichkeit und Herablassung in Kaminskis Stimmimitation zurückzuführen ist.

Andererseits bin ich manchmal auch einfach nicht bei der Sache. Während Kaminski von Unterlondon, sprechenden Ratten, geheimnisvollen Türen und blutrünstigen Mördern erzählt, spüle ich mein Geschirr, hänge Wäsche auf, putze mir die Zähne und sortiere alte Notizzettel durch. Je nach Spannungsgrad und Aufmerksamkeit halte ich manchmal inne, spule nochmal zurück oder nehme Erzählpassagen nur am Rande wahr.
So exklusiv und einmalig wie das eigene Lesen ist es dann doch nicht. Die Geschichte hat mich dennoch so gepackt, dass ich gern noch einmal darin abtauchen möchte. Aber allein und für mich selbst.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Hörbüchern gemacht?

Eure Alex

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22 Antworten auf „Zugehört! Hörbücher – ein Schattendasein?

  1. Ich mag Hörbücher sehr gerne, unterscheide sie dabei in Kategorien „Hörbücher“ und „Hörspiele“. Ich bevorzuge „Hörspiele“, weil sie von mehreren Personen gelesen werden, die meistens ihren Text eher wie Schauspieler vortragen, während „Hörbücher“ in der Regel von einer Person vorgelesen werden. Hörspiele werden zudem häufig musikalisch untermalt. Ich finde kurze Hörbücher ganz gut, denn für die längeren Versionen fehlt mir oft die Geduld. Meistens höre ich sie unterwegs und bei kurzen Fassungen muss man sich dann nicht so sehr konzentrieren. Liebe Grüße

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      1. Die Hörspiele sind ein gutes Beispiel, auch die 3 Fragezeichen 🙂 Andererseits gibt es auch sehr viele gute Hörspiele in anderen Bereichen. Ganz toll sind z.B. die WDR-Hörspiele oder die beiden „Gut gegen Nordwind“-Fortsetzungen, die irgendwo zwischen Hörbuch und Hörspiel anzusiedeln sind.

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  2. Hallo Alex,

    ich habe ein paar Hörspiele oder Hörbücher zu Hause. Und ich mag sie alle sehr gern. Ich empfinde sie als eine tolle Abwechslung zum Lesen. Früher habe ich sie während meiner Pendelei oft im Auto gehört. Total praktisch und besser als im Radio immer wieder die selben Lieder zu hören.

    Liebe Grüße
    Ella

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    1. Hallo Ella,
      ich wüsste nicht, ob mich das beim Fahren nicht zu sehr ablenkt… Sollte ich das auf einen versuch ankommen lassen? :P Ich habe jetzt begonnen, Die Seiten der Welt von Kai Meyer zu hören. Kennst du das (Hör-?)Buch?
      Liebe Grüße, Alex

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      1. Ich denke, dass solltest du mal auf einen Versuch ankommen lassen, ja. ^^ Gerade auf der Autobahn gab es nichts besseres, um mich bei längeren Fahrten wach zu halten.
        Ah ja, die Seiten der Welt stehen bereits in meinem Regal, allerdings noch ungelesen. Freue mich aber schon sehr darauf, weil ich die Bücher von Kai Meyer wirklich total mag. Du musst mir unbedingt berichten, wie du das Hörbuch fandest. Ich habe von Kai Meyer „Der brennende Schatten“ als Hörspiel und fand es klasse.
        Liebe Grüße
        Ella

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      2. Hah, na das hört man doch gern. ^^ Aber es macht wirklich Spaß, vor allem, wenn im eigenen Freundeskreis die Buchbegeisterung jetzt nicht unbedingt solche Wellen schlägt. ;-)

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  3. Ja, mir geht es ähnlich wie dir. Ich mag Hörbücher ganz gerne, je nach Erzähler, lese aber doch lieber selbst.

    Eine Ausnahme, die richtig praktisch war: Ulysses. Den will ich schon ewig lesen und habe zwei-, dreimal angefangen, bis ich über das Hörbuch dazu gestolpert bin. Der Erzähler hat den richtigen irischen Akzent und die meisten Figuren haben sogar ihre eigenen Sprecher bekommen, sodass man sie alle mühelos auseinanderhalten kann. Das macht einfach viel mehr Spaß, als das Buch zu lesen, und geht daher auch schneller voran! Trotzdem lasse ich mir mit Hörbüchern viel Zeit, manchmal höre ich sie ständig, manchmal interessieren sie mich eine Zeit lang gar nicht.

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    1. Hallo Vanessa,
      ich habe Ulysses vor circa einem halben Jahr endgültig aufgegeben, als ich es für einen kleinen Preis bei Ebay verkauft habe. Trotz wunderschönem Cover und rotem Schnitt. Jetzt bringst du mich ins Grübeln, ob ich mich doch noch einmal an dieses epochale Werk wage. Ich habe mein ganzes Germanistik-Studium über gedacht, es ist ein MUSS dieses Buch gelesen zu haben. Sonst ist man nie richtiger Germanist. Und dann bin ich nach 100 Seiten einfach gescheitert. Dabei habe ich extra zuvor noch die Ilias und die Odysee gelesen, der Bezüge wegen und so…
      Liebe Grüße, Alex

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      1. Ist das nicht eher was für Anglisten? Leider weiß ich nicht mehr, welches Hörbuch das war oder wie du es finden könntest, ABER wenn du eins in Englisch mit tollem Erzähler, mehreren Stimmen, Hintergrundgeräuschen etc. findest, dann ist es das. Kann ich nur empfehlen! :)

        Ich habe es mir übrigens nicht aus Pflichtgefühl oder für das Studium vorgenommen, sondern weil Joyce mich interessiert. Sein Stil ist einzigartig und ich finde total spannend, was er mit der englischen Sprache macht.

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      2. Ich wollte es auf Deutsch lesen. Englisch ist nicht so meine Stärke^^ Und naja, er soll ja den postmodernen Roman quasi „erfunden“ haben, deshalb hielt ich es für lesenswert :P

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      3. Ach so, da geht natürlich ein Teil verloren … Ich habe keine Ahnung, ob es eine gute deutsche Übersetzung gibt. :D Aber wenn du es nicht für den Inhalt oder den Schreibstil liest, ist es vielleicht wirklich nichts für dich. Ich finde auch, man sollte Klassiker nicht lesen, nur um sie mal gelesen zu haben!

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  4. Im Auto habe ich Musik – da ich eine Unmenge neuer CDs habe.
    Unlängst allerdings habe ich allerdings mal ein Hörbuch, besser: ein Tondokument angehört: „Als Kind wünschte ich mir goldene Locken“.

    Wie beim Lesen auch geht mir einiges verloren: Beim Lesen bekomme ich manche Sätze garnicht mit. Beim Hören vermutlich ebenso.
    Hörbücher geben ein Tempo vor. Beim Lesen kann man innehalten. Ob man das mit der Cd auch macht? Ist wohl eher ungewöhnlich….

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    1. Ich halte auch selten beim Lesen inne. Nur wenn ich von einer Szene wirklich überrumpelt wurde und die Gefühle mit mir durch und durch gehen. Bei einer CD würde ich das auch tun, wenn es zu einer solchen Situation käme. Aber so umhauen tun mich Geschichten grundsätzlich eher selten…

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  5. Ich höre schon sein vielen Jahren mit Begeisterung Hörbücher. So lange schon, dass die ersten Hörbücher aus der heimischen Bücherei noch als Kassetten daher kamen. Jetzt fehlt mir oft abends nach der Arbeit die Energie in den Armen und Augen ein Buch zu lesen und greife immer öfter zu Hörbüchern.

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    1. Ich habe einen Abend dem Hörbuch noch gelauscht, als ich schon todmüde im Bett lang. Das war wundervoll, weil es sich anfühlte, als ob mir jemand extra zum Einschlafen eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt. In der Hinsicht sind Hörbücher auf jeden Fall herrlich unkompliziert :)

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  6. Schönen guten Abend ☺
    Immer wieder toll, wenn jemand auch Hörbücher für sich entdeckt.
    Habe auch oft das Gefühl, dass sie ein Schattendasein fristen.
    Ich habe sie damals für mich entdeckt, als ich aufgrund vom Außendienst viel im Auto unterwegs war.
    Es lenkt auch gar nicht so sehr ab, wie man erwartet.

    Empfehlen kann ich auch das Hörspiel der BBC zu Niemalsland,(Neverwhere). Unter anderem mit Natalie Dormer, James McAvoy und dem Cumbi 😉 Generell gibt es im englischsprachigen Raum viele Schauspieler, die auch Hörbücher/Hörspiele sprechen (Richard Armitage ist ohnehin immer ne Empfehlung wert).
    Auch im deutschen Radio gibts regelmäßig Hörspiele. Da hat man dann die Klassiker Jerry Cotton oder John Sinclair am Start, aber ich bin kürzlich auch mal bei nächtlicher Heimfahrt zufällig über ein Hörspiel zu Stieg Larssons Verblendung gestolpert.
    Gibt also noch viel zu entdecken, das über das reine Lesen hinausgeht.

    (Hör)Buchige Grüße
    Christina

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    1. Hallo Christina,
      ich muss sagen, ich bin inzwischen auch ziemlich auf den Geschmack gekommen. Ich wohne allein und da ist die Stille in den eigenen vier Wänden doch auch immer mal recht drückend. Einer spannenden Erzählung zu lauschen ist mir inzwischen doch viel lieber, als sinnlos Youtube-Videos zu schauen :)
      Liebe Grüße, Alex

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  7. Ich habe Hörbücher für mich entdeckt, weil ich recht viel im Auto unterwegs bin. Da kam das Hörbuch gut gelegen. Ich denke ich höre etwas 1-3 Hörbücher im Monat (meist aus der Bücherei), auf mehr komme ich tatsächlich nicht. Hörbuch ist tatsächlich nicht gleich Hörbuch. Ich habe bspw. Hörbücher weitaus schneller abgebrochen und weggelegt, ohne sie eines weiteren lauschens zu würdigen, weil mir die Lesestimme nicht gefallen hat. Ich finde Hörbuch kann nicht jeder Lesen und da gibt es unterschiede, selbst wenn das Buch klasse geschrieben ist, wenn der der es liest mies in dem ist, was er da macht, oder von der Stimmfarbe meinem Ohr nicht schmeichelt, ist das Buch schneller raus als ein Buch, dass ich lese….
    Ich habe tatsächlich auch mal die Version „Hörspiel“ versucht, aber ich mag lieber das Vorlesen, da fühlt man sich so in die Kindheit zurückverfrachtet… Ich mag es, wenn mir vorgelesen wird und daher mag ich auch Hörbücher und in Situationen in denen man nicht selbst ins Buch gucken kann, ist ein gutes Hörbuch Gold wert! ;)

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    1. Hallo Anne,
      das mit der Stimme kann ich mir gut vorstellen! Gerade höre ich „Die Seiten der Welt“, gelesen von Simon Jäger… Das ist ganz gut, aber Kaminski gefiel mir deutlich besser^^ Ich finde es auch etwas seltsam, wenn ein Buch, dass aus der Sicht eines 15-Jährigen Mädchens geschrieben ist, es von einem Mann vorgelesen wird. Andererseits werden Frauenstimmen ja schnell als nicht so schmeichelhaft empfunden wie jene von Männern. Es ist wahrscheinlich schwierig, es allen recht zu machen. Ich bin inzwischen auf jeden Fall auch ein Fan von Hörbüchern geworden :)
      Liebe Grüße, Alex

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