Wer weiß denn eigentlich noch die Augenfarbe von Harry Potter?
Grün, braun, blau? Zumindest wie die seiner Mutter.
Und die von Frodo Beutlin?
Keine Erinnerung?
Tatsächlich wird sie in keinem der drei Bände von Tolkiens Meisterwerk erwähnt.

Macht das eine der beiden zu einem besseren oder schlechteren Helden?

Die detaillierte Beschreibung äußerlicher Merkmale ist zu einem festen Bestandteil jedes Romans geworden. Besonders Augenfarben (von pechschwarz über stahlblau bis giftgrün), aber auch Haarfarben und -strukturen werden wortreich wiedergegeben.
Aber wozu diese mehr oder minder ausdrucksstarken Ausführungen?
Sind wir so sehr auf Äußerlichkeiten fokussiert, dass Gestalt, Aussehen und Kleidungsstil bis ins kleinste Detail aufgeführt werden müssen, während diese beim besten Willen keine Funktion für die Geschichte haben?

Sicherlich sind äußere Merkmale nicht völlig zu vernachlässigen. Sie dienen sowohl dazu, dem Leser ein konkretes Bild der Figur vor Augen zu führen, als auch anhand dieser den Charakter, Lebensstil und die soziale Herkunft zu verdeutlichen und zu unterstreichen. In all diesen Punkten übernehmen Äußerlichkeiten eine bestimmte Funktion in der Geschichte.
Und dabei sollte man es auch belassen.

Ein zu detailliertes Äußeres artet sonst schnell in umfangreichen Beschreibungen aus, in denen die Handlung zum Erliegen kommt, der Leser sich langweilt oder gar völlig konfus sich gar kein einheitliches Bild mehr von der Figur machen kann.
Tatsächlich kann man sich an eher unrelevante Details, die nicht tragend für die Handlung oder innerhalb dieser aufgegriffen und wiederholt werden, meist im Nachhinein sowieso nicht erinnern. Und das ist auch nicht schlimm.
Immerhin würde niemand darauf kommen, dass Frodo gar keine Augen hat, nur, weil sie nicht beschrieben wurden.

Aus diesem Grund will ich aufrufen: Mehr Mut zur Lücke – nämlich der Beschreibungslücke!

Statt sich in den Verästelungen von Iris-Schattierungen zu verlieren, kommt es bei einer Geschichte doch mehr als woanders auf die inneren Werte des Protagonisten und seiner Mitstreiter an.
Ob wir eine Figur sympathisch erleben oder nicht, ist doch vielmehr von ihrem Humor, ihrer Hingabe, Stärke und Leidenschaft, Selbstlosigkeit und von ihrem Mut abhängig. Mit welcher Haarfarbe sie ihre Abenteuer bestehen, ist letztendlich gleichgültig.

Eure Alex

Photo by Pixabay

12 Antworten auf „Mut zur Beschreibungslücke!

  1. Ja, es ist gar nicht so einfach, die richtige Balance zu finden. Wann beschreibt man eine Figur zu ausführlich und wann zu wenig? Man muss wohl mit der Zeit das Gefühl dafür entwickeln. LG

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  2. Harry Potter hat grüne Augen. ;)

    Ich wage zu behaupten, dass das von Leser zu Leser variiert. Manche überspringen sogar Charakterbeschreibungen, weil sie sich lieber eine eigene Vorstellung machen. Ich selbst lese sehr gerne Beschreibungen und stelle mir die Charaktere genauso vor, inklusive „richtiger“ Haar- und Augenfarbe. Übrigens finde ich auch spannend, wie kulturelle Vorurteile zB gegen Haarfarben den ersten Eindruck prägen. Rothaarige werden als „seelenlos“ bezeichnet, Blonde gelten gleich als Zicken oder Schönlinge, Schwarzhaarige sind Emos, Punks oder Goths etc. Damit kann man wunderbar spielen. Außerdem mag ich Details, die nicht eindeutig als schön bzw. hässlich gelten und den Charakter daher realistischer machen (zB schmale Gesichtsform, eckiger Kiefer). Das alles ist natürlich meine persönliche Vorliebe und daher halte ich es auch in meinen eigenen Geschichten so.

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    1. Nein! :O Dabei war ich felsenfest davon überzeugt, die Augenfarbe ganz genau zu wissen…^^ So kann es kommen :D
      Stimmt, so ein paar markante Besonderheiten finde ich auch immer sehr spannend, wenn sie der Figur etwas einmaliges verleihen. Nur manchmal bestehen Beschreibungen aus einer scheinbar klar definierten Anzahl von Merkmalen, die dann einfach runtergebetet werden… Das ist mir dann auch oft zu langweilig. Und dass es darauf nicht wirklich ankommt, ist mir letztens beim Hörbuchhören klar geworden: Als ich Den Seiten der Welt lauschte, habe ich den Teil verpasst, als die Protganoistin beschrieben wurde. Ich habe sie mir die ganze Zeit mit braunen Haaren vorgestellt, und erst ganz am Ende des Buches, wurde erwähnt, wie sie sich ihre blonden Strähnen aus dem Gesicht strich, und ich dachte: Aha. Verändert die Geschichte in meinem Kopf überhaupt nicht^^

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      1. Ja, in Fantasy oder Jugendbuch-Genres sind Beschreibungen oft immer gleich. Aber du hast schon Recht, natürlich spielt es für die Handlung keine Rolle, wie jemand aussieht (außer es geht tatsächlich darum, dass er oder sie außergewöhnlich schön oder hässlich ist, darüber kann man ja auch schreiben).

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  3. Ich halte ich bei Beschreibungen im Normalfall zimelich zurück. Und vor allem versuche ich „Aufzählungen“ zu vermeiden. Also anstatt: „Sie hatte blonde Haare und trug mehrere goldene Ringe an ihren Fingern.“ schreibe ich lieber „Sie strich sich mit der Hand durch ihre blonden Haare und überprüfte anschließend, ob noch alle Ringe an ihren Fingern da waren und sich keiner in ihrem Haar verfangen hatte.“ oder sowas in der Art. Wirkt erstens nicht so gezwungen und zweitens lässt es sich meiner Meinung nach besser lesen.
    Generell bin ich aber ohnehin kein Fan von ausufernden Beschreibungen. Bei mir ergibt sich immer schon bei der Charaktereinführung ein Bild davon, wie dieser aussieht. Und das ändert sich dann auch durch Beschreibungen nicht mehr großartig. Wenn in meinem Kopf das Kleid von Beginn an rosa war, kann da auch fünfmal stehen, dass es grün ist. In meinem Kopf bleibt es rosa.

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  4. Hemingway schrieb mal (sinngemäß), dass Dinge, die sich der Leser vorstellen kann, weggelassen werden können. Ich persönlich merke auch, dass ich bei manchen Prosa-Texten, die mit Details übersät sind, diese irgendwann überfliege und es meiner Fantasie überlasse den Charakter oder die Umgebung zu zeichnen. Die Reduktion ist – für mich – das, was große Autoren von schlechten unterscheidet. Natürlich gibt’s da auch Ausnahmen, wie Thomas Wolfe o. Ä., der durch seinen sprachlichen Reichtum überzeugt. Aber das Gleichgewicht zwischen zu viel und zu wenig Detail zu finden ist eine hohe Kunst, die nicht viele beherrschen.

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    1. Das stimmt. Ich halte auch Reduktion für einen wichtigen Schritt im Schreibprozess. Weniger ist bekanntlich mehr. Andererseits, wenn ich an Thomas Mann denke, kann auch eine Fülle an Beschreibungen sehr reizvoll sein. Aber das ist dann wohl die Profi-Liga, da das richtige Gespür zu entwickeln. ;)

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      1. Ja genau, mir fiel dafür als erstes Thomas Wolfe ein, aber Thomas Mann ist natürlich auch ein gutes Beispiel. Diese Leute werden vor allem für dieses Sprachtalent bewundert und ihre Werke sind großartige Literatur. Aber wenn wir ehrlich sind, geht es in der Profi-Liga nicht mehr um die Unterhaltung. Hätte J. K. Rowling im Stil eines Thomas Mann geschrieben, hätte es sicher keiner lesen wollen. :)

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      2. Kommt vielleicht auch darauf an, wie man Profi-Liga definiert ;) Aber ich denke, du hast recht. Wenn ich die Wahl hätte, Harry Potter oder die Buddenbrocks zu schreiben, würde ich Harry wählen^^

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      3. Das stimmt. Es gibt auf beiden Seiten – anspruchsvolle Literatur und simple Unterhaltungsliteratur – Profis, also Autoren, die auf ihrem Gebiet Meister sind. Und ich mache jetzt nicht, das Fass Trivialliteratur auf. ;)
        Wenn ich die Wahl hätte, deinen Potter oder deine Buddenbrooks zu lesen, würde ich sicher auch den Potter wählen. (Und mir die Verfilmung der Buddenbrooks anschauen. ;)

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  5. Danke für diesen Beitrag. Mir ging es beim Schreiben genauso und ich habe auch nicht alle Details meiner Protagonisten beschrieben. Ein wenig Fantasie darf man den Lesern doch zutrauen.

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