Das Lieblingscafé ist für ein waschechtes Autorenleben bekanntermaßen unentbehrlich. In einer stimmungsvollen Atmosphäre schreibt es sich gleich wie ein richtiger Schriftsteller: Weltgewandt, ausdrucksstark, alltagsnah, überzeugend.
Also sitze ich an einem Freitagnachmittag in meinem Lieblingsbäcker, denn Cafés sind mir als Student zu teuer, und bestelle einen Latte Machiato mit extra Milch. Es ist sicherlich nicht der beste der Stadt, aber immer noch besser als diese fadenscheinige Brühe, die eine Kaffeemaschine unter Ächzen und Heulen hervorbringt. Dazu gibt es ein feines Gebäck, das ich gleich von mehreren Seiten und unter verschiedenen Lichtbedingungen abfotografiere für Instagram. #Schnappschuss. Schon sind zwanzig Minuten meiner wertvollen Arbeitszeit rum und die einzigen geschriebenen Worte, mit denen ich mich beschäftigt habe, stehen im Tagesangebot.
Dennoch: Mal nicht einsam an meinem Schreibtisch zu sitzen und immer die gleiche Nachbarhauswand anzustarren, tut meiner kreativen Hirnhälfte gut. Das bunte Gemurmel im Hintergrund wirkt belebend und meine Finger gleiten zwanglos über die Tastatur.
Plötzlich fällt mir ein Mann im Sakko gleich neben dem Eingang auf: Ich sehe zu ihm, als er auch zu mir sieht. Als er sieht, dass ich ihn sehe, sehen wir beide weg, um im gleichen Moment wieder hinzusehen – ein Teufelskreis beginnt. Ich versuche krampfhaft unverkrampft nicht mehr in seine Richtung zu blicken, aber das Gefühl, beobachtet zu werden, will erst vergehen, als der Mann den Bäcker verlässt – und wir uns einen letzten Blick zugeworfen haben.
Kurz darauf betreten drei junge Frauen das Café und geben mir eine Steilvorlage für den nächsten Kapiteleinstieg. Begeistert haue ich in die Tasten. Bis der ältere Herr neben mir sich lautstark räuspert. „Geht das auch ein bisschen leiser?“, fragt er. Ich verkneife mir ein Augenrollen und antworte mit einem Lächeln: „Aber sicher.“
Von jetzt an bin ich bemüht, nur noch ganz leise zu tippen. Umso lauter schnattern nun die drei Frauen am Tisch gegenüber. Besonders die eine hat eine Tonlage, bei der es mir Schuhe und Socken gleichzeitig auszieht. Eine ganze Weile starre ich genervt auf meinen Laptop und kann nicht nicht zuhören, während sie von ihrem letzten esoterischen Treffen mit einem Warzenbesprecher berichtet. Doch dann spitze ich die Ohren: Kurze Zeit später bilden ihre Ausführungen die Grundlage für den Schamanenzauber meines Antagonisten. Als sie ihren grünen Filzmantel anzieht, nicke ich ihr zum Abschied freundlich zu.
Seit zehn Minuten nippe ich nun schon an der Kaffee-Pfütze am Boden meiner Tasse – mein Alibi, um weiterhin den schönen Platz am Fenster zu beschlagnahmen. Als von dieser endgültig nichts mehr übrig ist, erledigt sich die Frage nach einer zweiten Tasse mit dem Blinken des roten Akkusymbols.
Ich werde sicher wiederkommen.
Eure Alex
Photo by Kari Shea on Unsplash
Das kenne ich sehr gut. Keine Ahnung, wie das andere gemacht haben … angeblich soll Harry Potter zumindest beim Start im Café entstanden sein. Das romantische Bild des Schreibers im Café will sich auch bei mir nicht einstellen. Fast alle Beiträge brauchen zumindest die ablenkungsfreie Einsamkeit einer ruhigen Umgebung. LG
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Für mich ist das Schreiben in der Öffentlichkeit durchaus ambivalent. Manchmal bringt es meine Kreativität richtig in Schwung, aber oft brauche ich doch auch eher Ruhe, um mich wirklich konzentrieren zu können :)
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Ab und zu mache ich das auch. Zum Glück hat sich noch niemand über meine Tastatur beschwert. 😊
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Hallo Alexandra,
dein Beitrag ist sehr lebhaft geschrieben, ich saß in Gedanken fast neben dir :D Vielleicht sollte ich auch einmal ausprobieren, an öffentlichen Orten zu schreiben.
Ich habe dich außerdem für den „Mystery Blogger Award“ nominiert – falls du Lust hast, mitzumachen, findest du meine Fragen hier: https://heldenfuereinentag.wordpress.com/2017/11/21/mystery-blogger-award/
Liebe Grüße,
Jessy
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