Meine beste Freundin kann seinen Namen schon nicht mehr hören. Ich sollte wirklich abschließen. Drüber hinweg kommen. Aber das sagt sich so einfach. Stattdessen hänge ich immer wieder gedankenverloren auf meinem Sofa, springe wutentbrannt auf oder sacke traurig in mich zusammen. Dann ist der Tag um, ich gehe ins Bett und bekomme kein Auge zu.
Liebeskummer ist schrecklich.
Und nicht selten schrecklich nervig.
Besonders für das soziale Umfeld. Aber auch der Leser kann von diesem Phänomen schnell angeödet werden. Schon wieder ein Heulkrampf? Lässt sich Liebeskummer nicht vielleicht auch ohne Tränen und eine große Packung Eiscreme in Szene setzen?
Die Tragik unerwiderter Liebe glaubwürdig darzustellen, ist eine Gratwanderung. Einerseits will keiner seitenlange Klagelieder lesen, andererseits soll der Charakter nicht allzu schnell über den Herzschmerz hinwegkommen. Dazu kommt, dass das Thema von einer Unmenge Klischees gezeichnet ist, denen man sich kaum erwehren kann. Eine ganze Packung Langnese Himbeer-Harmonie verdrücken und dabei dreimal hintereinander PS: Ich liebe dich schauen sind aus der Chick-Lit-Szene kaum noch wegzudenken. Aber können diese Handlungen das Gefühl von Verletztheit und Alleinsein tatsächlich glaubwürdig darstellen?
Statt lang zu lamentieren, möchte ich euch drei meiner Meinung nach sehr gelungene Inszenierungen von Liebeskummer vorstellen:
(1) Manchmal braucht es keine Worte – Im zweiten Band der Twilight-Saga bringt Stephanie Meyer Bellas innere Leere dem Leser auf besondere Weise nahe: Die leeren Seiten, auf denen nicht mehr stehen als die Monate, die ereignislos vergehen, haben mich damals tief beeindruckt. Wortlos bringt Meyer etwas zum Ausdruck, was eben nur schwer in Worte zu fassen ist. Hier zeigt sich, dass auch das Buch als Medium selbst effektvoll eingesetzt werden kann.
(2) Weniger eindeutig, aber nicht weniger bedrückend, empfand ich die tragische Liebe der Elfenkönigen Emerelle im gleichnamigen Roman von Bernhard Hennen. Die Suche nach Ersatz, die Hoffnung, die Zeit zurückdrehen zu können, der Versuch, etwas wiederzubeleben, das nicht mehr da ist – Emerelles Kummer ist subtil in die Handlung eingebunden und zeigt sich nur am Rande des Hauptgeschehens, bis ihre Verzweiflung in einer Sexszene mit einem Mann, den sie nur vermeintlich liebt, gipfelt. Besonders durch die Tatsache, dass man als Leser nicht wirklich weiß, was die Elfenkönigin fühlt (denn sie spricht es nie aus), baut Hennen Interesse und Mitgefühl auf: Nur aus ihrem Handeln erschließt sich überhaupt ihr Gemütszustand.
(3) Zuletzt will ich einen Klassiker der Liebesromane anführen: Zwei an einem Tag. Liebeskummer bei Männern erfährt eine eher schwierige Darstellung in der Literatur. Wenn er überhaupt thematisiert wird. Dabei ist Wut oft das typische, wenn nicht sogar einzige Ausdrucksmittel. Dexters Trauer wird dagegen von David Nicholls sehr intensiv und anschaulich in Szene gesetzt. Durch Alkoholmissbrauch und Drogenkonsum versucht Dexter seinen Verlust zu kompensieren. Dabei entgleitet ihm sein Alltag und es braucht einige Unterstützung von außen, sein Leben wieder zu richten.
Liebeskummer kann demnach sehr unterschiedlich inszeniert werden: Durch Leere, Verdrängung oder Haltlosigkeit; er kann eher hintergründig oder sehr offensiv Teil der Handlung sein. Wichtig ist, dass die Figur überzeugend handelt und ihrem Charakter treu bleibt.
Letztendlich soll der Leser mitempfinden – und dazu muss der Text ein Gefühl transportieren, dass jeder kennt, aber immer individuell erlebt und verarbeitet wird.
Eure Alex
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Interessant. Wer hätte gedacht, dass Gefühle, die uns nicht fremd sein sollten/nicht fremd sind, dennoch eine neue(re) Darstellung braucht, um uns noch als das erreichen zu können, was sie darstellen/auslösen sollen. Puh, was ein verschachtelter Satz. Ich hoffe, man versteht mich.
Wenn ich fragen darf: Sind deine aktuellen Beiträge (Konflikt, Liebeskummer etc.) Kind deines Schreibprozesses an deinem Buch?
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Nein, ich schöpfe diese Themen gerade eher aus meinem eigenen Alltag. Ich würde nicht sagen, dass mir das explizit beim Verarbeiten hilft. Aber ich neige wohl doch dazu, mir des Öfteren Gedanken darüber zu machen, wie man Erlebnisse ansprechend in Worte kleidet.
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Zunächst einmal möchte ich mich entschuldigen, wenn ich mit meiner Frage in einer Wunde gekratzt habe.
Dann möchte ich dir aber auch zu dieser Erlebniss-Einkleid-Gedankenhaltung gratulieren, denn sie bedeutet, dass viel mehr Wörter in die Welt getragen werden. Man muss schließlich mit seinem Wortschatz auch spielen können/dürfen.
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Nein, hast du nicht, alles gut ;)
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Vielleicht auch auf Seitenphänomene eingehen…Zwanghaftes wird stärker, das Leben wird stumpf und eintönig. Da braucht es keine Namen.
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Sehr interessant! Mit Bella stimme ich dir zu :) Die anderen beispiele kenne ich gar nicht. Man kann über Twillight sagen, was man will, aber die Stelle war gut!
Ich habe das selbst erlebt, als bei meiner Prota der Freund gestorben ist und sie nicht darüber hinwegkam. Da haben Testleser auch gesagt „oh wie nervig, wie die die ganze Zeit in ihrer Trauer rumheult“. Daher verstehe ich, erst Recht bei Liebeskummer ebenso, deinen Beitrag und die Gradwanderung, die du beschreibst, sehr gut :)
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Hast du die Szenen im Nachhinein noch einmal anders gestaltet?
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Ja, auf alle Fälle, dieses Feedback konnte ich so nicht lassen bzw ignorieren
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Ich finde deine Beispiele sehr interessant, bei „Zwei an einem Tag“ fand ich es auch sehr eindrucksvoll. Wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass es eben zu der Figur passt. Jeder empfindet den Schmerz schließlich anders und leidet auch anders. Wenn man eine starke Frau als Protagonistin hat, wirkt es eher seltsam wenn sie die ganze Zeit rumheult. Bei manchen Figuren passt es aber auch und man würde ihr die Trauer sonst nicht abnehmen. Das muss aber gut dosiert rüberkommen…
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Ich persönlich schreibe gerne über Liebeskummer, weil es eben so etwas tragisches anhaftet. Das Problem, dass es häufig als nervig erachtet werden kann, wenn jemand zu viel „jammert“ und seinem Verflossenen z. B. hinter her trauert, musste ich machen, als bei einem Charakter der Freund gestorben ist. Es gab Kritik, wie nervig es doch sei sie ständig nur jammernd und traurig zu sehen. Daher ist das eine sehr schwierige Gratwanderung, die man da machen muss und manchmal hilft einem auch die Überarbeitung, da ein bisschen mehr Balance rein zu bringen :)
Ich danke dir für deine anschaulichen Beispiele! Twillight ist wirklich in dem Sinne gut, dein zweites Beispiel kenn ich gar nicht und vom dritten kannte ich nur den Film :)
Liebe Grüße,
Nadine
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