Es ist früh viel zu früh. Ich stehe am S-Bahnhof und warte. Dabei blicke ich konzentriert auf die Werbetafel vor mir. Nur nicht umschauen, da könnten ja Schüler sein, die auch mit der Bahn fahren. Und mich anquatschen. Und Fragen stellen. Bitte nicht. Nicht vor dem ersten Stundenklingeln. Auf der Tafel wird für die Schule des Schreibens geworben: Deutschlands größte Autorenschule, um erfolgreich Schreiben zu lernen!
Das sagt sich so einfach, denke ich mir. Kann man denn Schreiben tatsächlich lernen? Schreiben im Sinne von Sätze gut formulieren, nicht das „Malen“ von Buchstaben.

 

Ähnlich wie diese Onlineschule locken auch viele Schreibratgeber mit der Vorstellung, man könne Schreiben lehren und lernen, ähnlich einem Handwerk. Nicht selten wird da von dem „richtigen Werkzeug“ gesprochen und „dieser einen Technik“, mit der jedes Buch zum Bestseller wird. Da gibt es Plotpläne, Szenenraster, Spannungsbögen und Checklisten sowie Übungsaufgaben mit Hinweisen, Tipps, Tricks und Mindmaps.

Reicht das aus, um einen guten Text zu verfassen? Ein Handwerk zu erlernen, bedeutet, bestimmte Handgriffe zu verinnerlichen, um ein Werk zu erschaffen. Der Schreiner lernt das Drechseln, um ein Tischbein zu fertigen, der Töpfer den Umgang mit der Drehscheibe, um ein Gefäß zu formen. Es handelt sich um eine Frage der Übung, wie gut das Ergebnis wird.
Für das Schreiben gibt es solche konkreten Handlungsanweisungen nicht. Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, was einen Text zu einem guten Text macht. Kein Plotplan und nicht der tausendste Writing prompt garantieren, dass ich eine spannende, außergewöhnliche, noch nie da gewesene Geschichte schreibe.

 

Also ist Schreiben eine Kunst. Es braucht ein gutes Sprachgefühl, um verständlich zu formulieren, sich gewählt auszudrücken und ansprechend zu erzählen. Schreiben ist eine fantasievolle Tätigkeit. Es sind unsere eigenen, ausgefallenen Vorstellungen und Ideen, die wir zu Papier bringen. Sie sind essentieller Teil des Schreibprozesses. Wer nicht weiß, was er schreiben will, brauch damit nicht anfangen. Ideenwolken und Charakterbögen können zwar hilfreich sein, aber ersetzen nicht unsere eigene Fantasie.
Aber ist es allein die gute Idee, die ein gutes Buch hervorbringt?
Aus eigener Erfahrung würde ich sagen: Nein. Die Idee zu meiner Geschichte ist bereits viele Jahre alt. Meine ersten Versuche, diese zu Papier zu bringen, waren mit dreizehn Jahren. Heute lese ich diese Texte und muss schmunzeln. Ich habe mich redlich bemüht, einen guten Text zu schreiben. Aber wirklich „gut schreiben“ konnte ich damals noch nicht. Die Texte triefen vor schlechten Wortwitzen, abgedroschenen Redewendungen und dem Bemühen, etwas sprachlich zum Ausdruck zu bringen, was mir damals noch nicht recht gelang. Vielleicht hatte ich für mein Alter schon immer ein gutes Sprachgefühl, wie meine Deutschlehrerin einmal sagte, aber es fehlte mir an praktischem Wissen und Übung.

Heute ist die Grundidee meiner Geschichte immer noch die von damals, aber sie hat sich deutlich weiterentwickelt. Mein Schreiben auch.
Schreiben ist letztendlich ein bisschen von beidem ist: Techniken und Werkzeuge zu kennen als auch Sprachgefühl und Fantasie zu besitzen. Eben ein Kunsthandwerk.

Wie seht ihr das?

Eure Alex

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21 Antworten auf „Schreiben: Handwerk oder Kunst?

  1. Schreiben ist ein Weg, den jeder alleine geht. Wie jede Ausdrucksform kann es nur individuell widerspiegeln.
    Wer Bücher liest zum Thema bspw. wissenschaftlich Schreiben, der bekommt nur einen Eindruck, wie es andere Menschen machen würden. Der Leser kann sich nur mit dem adaptieren, was er davon versteht.
    Verstehen und Lernen ist eh eine Kunst für sich.
    Da Handwerk für mich immer eher etwas Haptisches ist, sehe ich beim Schreiben dies bereits dann erfüllt, wenn man einen Stift schwingt. Oder eine Taste drückt (man muss ja neumodisch denken).
    Folglich sind wir alle Kunsthandwerker. Sogar deine Schüler, die dich ansprechen könnten. ;)

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  2. Zitat: Wer nicht weiß, was er schreiben will, brauch damit nicht anfangen.

    Da möchte ich Dir widersprechen. Man muss es nicht immer wissen, doch es ist oft hilfreich es zu wissen. Ich denke, es gibt viele Kriterien, die einen guten Text ausmachen oder von einem „schlechten“ unterscheiden.
    Die Frage, ob man „gutes Schreiben“ beibringen kann? – ich denke schon, ja. Doch dazu muss das Gegenüber auch offen sein und die Bereitschaft haben auszuprobieren, sich einzufühlen in Themen und andere Menschen, die Fähigkeit besitzen, einen Text zu schreiben, der die Perspektive des Lesers insofern mit einbezieht, dass der Autor/in in der Lage sein sollte, diese Perspektive einzunehmen, d.h. Dinge zu erzählen und zu erwähnen, die dem Schreiber/in klar ist, dem Leser aber nicht unbedingt und deshalb ergänzt werden müssen.

    Liebe Grüße von der Beobachterin

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    1. Hallo Beobachterin,

      genau darin sehe ich oft ein Problem: Die Bereitschaft, Fehler anzuerkennen und Verbesserungsvorschläge anzunehmen, ist mitunter bei einigen Schreibern nicht so gegeben. Ich denke, viele sind schon von Beginn an sehr selbstüberzeugt, was ihre Formulierungskünste betrifft. Und das ist zumindest schwierig, denn echte Verbesserung erzielt man nur, wenn man auch eine kritische Haltung gegenüber den eigenen Texten einnehmen kann.
      Ob mir das selber gelingt? Weiß ich noch nicht. ;)

      Liebe Grüße, Alex

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    1. Ah, das liefert mir einen Aufhänger.
      Danke Moser, danke Alex.

      Mein nächstes Buch ist eines über Kochen.
      Das Konzept nenne ich „systemisches Kochbuch“.
      Der Titel ist „SIMPLY the BEST“ und es handelt davon, wie man das Wissen die harte Arbeit erledigen lässt.
      Ja, zur Kunst gehört auch Fertigkeit und die kommt als Meisterschaft mit der Übung.

      Die Kunst besteht darin zu erkennen, wann jedes ‚Mehr‘ ein weniger nach sich zieht.
      Im Skizzieren: die Picasso-Geschichten. Bspw. die mit der Serviette und den 30 Jahren.
      Im Schreiben: „Kill Your Darlings!“

      Das ‚altered Ego‘ Frank vom Company Pirate (Tobias Leisgang) und mir hat da ganz schön unter seinen Autoren zu leiden. Wir müssen aufpassen, dass ihm nicht die Puste ausgeht, weil wir zu viel an unserem Darling killen.

      Der Trick ist:
      „Fang an, BEVOR Du bereit bist.“

      Und so nutzen wir die modernen Möglichkeiten über Leanpub.
      Konzept hier:
      http://commodus.org/aoc

      Wir stellen nicht erst am Ende des Buches fest, dass es Mist war.
      Wir können bereits ab Kapitel 1 aus unseren Fehlern lernen.

      Allein schon die Lernerfolge von Kapitel 2 haben Rückauswirkung auf Kapitel 1 gehabt.
      Storyline, Plot und Figuren sind unverändert. Nur der Ausdruck wurde durch uns präzisiert.
      Danach fühlte ich mich, als ob ich einen Text überarbeitet hätte, den ich „mit 13“ schrieb.

      Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.

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  3. Ich denke schon, dass das Schreiben an sich eine Art Handwerk ist, das erlernbar ist. Also erstmal im Sinne von Grammatik und Co. Eine Geschichte schreiben kann letztlich auch jeder, denn im Prinzip ist auch jeder in der Lage, eine Geschichte zu erzählen. Schwieriger wird es bei den Einzelheiten, die dann eben eine Geschichte spannend und lebendig machen.
    Mal ein Beispiel: Als ich vor einigen Monaten bei meinem Finanzberater war, erzählte er kurz von seinem Skiurlaub mit Freunden. Halt das Übliche: Es wurde Skigefahren, getrunken, gefeiert usw. War wenig spannend, aber Leute erzählen eben gerne aus ihrem Urlaub.
    Ein paar Minuten später fragte er mich, wie ich eigentlich zu meinen Ideen für Geschichten komme. Und da liegt dann irgendwo das Geheimnis des Schreibens. Im Prinzip folgen Geschichten ja bestimmten Strukturen und Mustern und wenn man die verinnerlicht, weiß man eben, was aus einer Geschichte eine vermeintlich gute Geschichte macht. Ich sagte ihm, dass er ja selbst vorhin eine Geschichte erzählt hat und wenn er an ein paar Knöpfen drehen würde, könnte man daraus auch locker einen Roman machen. Wie ich nun mal bin, habe ich dann Beispiele wie den dauerbesoffenen Freund, der gar keinen Bock auf den Urlaub hat gebracht. Und einen Antagonisten ins Spiel gebracht, der den Skiort sprengen will, um dort eine Umgehungsstraße zu bauen. Und mein Finanzberater und seine Freunde wurden zu den unfreiwilligen Helden gemacht, die ihn am Ende aufhalten. Ihm hats gefallen.
    Am Anfang steht also erst mal das Verständnis für Geschichten und was diese ausmacht und beinhalten sollten. Konflikte usw.

    Dann geht es natürlich weiter mit Formulierungen. Und da wären wir dann bei der Kunst. Ich glaube zwar, dass man das auch mehr oder weniger lernen kann, wenn man sich wirklich reinhängt, aber ein Großteil kommt da eher von einem selbst. Nennen wir es Talent. Einfach das Gespür dafür, was gut kingt und was nicht. Da trennt sich dann mehr oder weniger die Spreu vom Weizen, wie der Braumeister sagt.

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    1. Eine amüsante Begebenheit und gut erkannt! Das Erzählen von Geschichten ist durchaus ein Kulturgut, dessen sich Menschen auf der ganzen Welt bedienen. Im Grunde ist es uns allen als Menschen eigen, Geschichten zu erzählen. Aber wie du schon sagtest: Der Ton macht eben die Musik. ;)

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      1. Wobei ich mich schon frage, ob man nicht auch „den Ton“ lernen kann. Lässt sich schwer beurteilen, denke ich. Aber ein Stück Talent gehört auf jeden Fall dazu, wenn man es wirklich richtig machen will, würde ich sagen.

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  4. Ich glaube auch nicht, dass man es lernen kann. Man braucht ein Gespür und Verständnis von geschichten. Dafür, daß jede Geschichte ganz individuell funktioniert. Wie etwas funktioniert wenn man aus der Form fällt. Das ist ein Gespür, das hat man, oder eben nicht. Man kann dann nur denke ich wirklich lernen, diesem Gespür zu folgen. Mehr zu sich selbst und somit den Geschichten zu kommen. Man sieht ja, dass die eigenen Geschichten mit den Jahren immer besser werden. Das ist die Art von Lernprozess…
    Doch ich glaube, wer die Funktionsweise und die Magie von beschichten nicht verstanden hat, der kann hundert Kurse besuchen und doch nicht besser schreiben…
    Liebe Grüße 🙃

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  5. Hey Alex,

    Schreiben ist auf jeden Fall ein Prozess und den Weg geht jeder für sich. Aber ich sehe es auch als Handwerk, denn man kann sich wissentlich verbessern. Ich zum Beispiel habe vieles durch andere gelernt. Hinweise, Tipps und Tricks die ich mir verinnerlicht habe und meine Texte, wie ich finde, verbessert haben.
    Aber natürlich gehört auch ein großer Teil Fantasy zum Schreiben, denn woher sollten sonst die Ideen kommen. Es ist irgendwie eine Mischung aus allem, aber ich bin der Meinung, das jeder gut Schreiben kann, wenn er gewillt ist zu lernen. 😊

    Liebste Grüße
    Ella ❤

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    1. Ja, das mit dem Lernprozess habe ich auch festgestellt. Es gibt so viele kleine Tricks und Kniffe, die einen Text um so vieles besser machen können! Sich ganz aktiv mit dem Schreibprozess auseinander zu setzen hilft in jedem Fall, das eigene Schreiben voranzubringen und die Geschichten so zu erzählen, wie man es auch möchte. Ich hatte oft das Problem, dass früher nicht das auf dem Papier stand, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Inzwischen habe ich einiges darüber gelernt, wie man bestimmte Dinge sprachlich angehen muss, um sie entsprechend rüber zubringen. ;)

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  6. Hallo Alex, das ist ein höchst spannender Artikel.
    All diese Regeln und Tipps,-ich fürchte, sie können einen manchmal blockieren. Begabte Menschen aber, verstehen sie schnell, testen die Grenzen aus und brechen sie gezielt. Und nein, nicht jeder hat die Voraussetzungen schreiben zu lernen. Wer zum Beispiel nie gelesen hat, dem fehlt einfach das Bezugssystem. Und wer nicht in der Lage ist, den Wert des Schreibens zu erkennen, der wird auch nie gut schreiben. Natürlich kann jeder Mensch sich entsprechend entwickeln aber das ist dann ein weiter Weg.
    Darf ich deinen Artikel im Schreibrausch Re-bloggen?

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    1. Danke für dein Feedback und selbst verständlich kannst du den Beitrag teilen – das freut mich sehr :)
      Ja, Lesen ist auch eine wichtige Komponente, auf die ich gar nicht eingegangen bin. Man muss gelesen haben, um zu wissen, was gelesen wird ;)

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  7. Ich denke auch, dass das Schreiben in gewissem Umfang ein Handwerk und somit erlernbar ist. Man kann sein Sprachgefühl schulen, seinen Wortschatz erweitern, es gibt bestimmte Techniken, verschiedene Erzählstrukturen… Soll man nicht auch regelmäßig schreiben (üben)? Jeder kann Schreiben lernen, aber nicht alle werden es bis zum fertigen Roman bringen bzw. nicht alle werden eine Leserschaft finden. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und zeigt sich, wer das Gelernte kreativ anwenden kann. Beim Fotografieren ist es in meinen Augen genauso, nur wegen der eindeutig technischen Seite, findet man wohl leichter Zustimmung dafür, dass es ein Stück weit ein Handwerk ist.

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  8. Ich stimme dir da zu. Schreiben ist ein wenig von beidem. Der Handwerkliche Aspekt bildet für mich den groben Rahmen und die Kunst ist die Ausführung.
    Als ich deinen Post gelesen habe, musste ich ein wenig schmunzeln. Ich musste an meine Schreibversuche denken. Seit ich etwa 16 Jahre alt bin habe ich einen Traum vom eigenen Buch. Mit etwa 20 habe ich angefangen eins zu schreiben. Doch nach 50 Seiten stand ich vor der großen Schreibblockade und habe es zur Seite gelegt. Seit dem habe ich es immer mal wieder zur Hand genommen, aber ich komme an dem Punkt einfach nicht weiter. Aber ich mag auch nicht neu anfangen, weil die Idee und der Plott mir gefällt. So sage ich mir dann immer wieder, wenn ich Zeit habe, mich näher mit dem Schreiben, also den handwerklichen Aspekten zu beschäftigen, dann schreibe ich mein Buch.
    Doch die Zeit ist momentan so verplant, dass ich keine Muße habe mehr zu schreiben, als meinen Blog.
    Durch deinen Beitrag werde ich meine Seiten mal wieder in die Hand nehmen und darüber nachdenken, wie es weitergehen könnte.
    LG Kerstin

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    1. Hallo Kerstin,
      freut mich, dass ich dich vielleicht zu einem neuen Versuch motivieren konnte :)
      Ich habe auch schon früher an einem solchen Punkt festgehangen, an dem ich einfach nicht weiter kam. Trotz aller Mühen war es das beste, noch einmal neu anzufangen. Oft passt im Plot dann doch irgendetwas nicht ganz zusammen und das lässt sich schlecht mal eben im gesamten Text ändern.
      Jetzt, nach ausreichender Planung, kann ich meine Geschichte schreiben und komme stets gut voran – die Hälfte ist bereits niedergeschrieben, mehr als ich je zuvor am Stück verfasst habe. Von daher: ein Neuanfang ist manchmal einfach notwendig ;)
      LG Alex

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