Manchmal ähnlich, immer zu zweit, aber niemals identisch: Autor und Erzähler. Für manchen Schüler bleibt der Unterschied wohl ein ewiges Rätsel. Wer ist wer und was will er uns sagen? Aber auch viele Schreiberlinge sehen nicht durch: Gibt es einen allwissenden Autor und gehört der Erzähler zum Figurenrepertoire?
Und brauche ich diesen Erzähler wirklich so dringend?
Die ganze klare Antwort lautet: Ja.
Eine wie auch immer geartete Geschichte hat immer einen Erzähler. Da kommt man als Autor nie drumherum. Jeder epische Text hat eine Erzählstimme, die den Leser durch den Text führt und das Geschehen beschreibt. Das ist der Erzähler.
Aber was macht dann der Autor?
Ganz knapp zusammengefasst kann man sagen: Der Autor schreibt, der Erzähler spricht.
Der Autor ist der Erfinder der Geschichte. Er denkt sich den Plot aus, die Figuren, den Hintergrund und alles, was später in der Geschichte Erwähnung findet (oder als Fluff in Notizbüchern und Gedankenfetzen zurückbleibt). Und er denkt sich auch den Erzähler aus! Meist tut man das nicht bewusst, aber es ist sinnig, sich diesem Phänomen einmal bewusst zuzuwenden.
Schreiben und Erzählen geschehen auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Es lässt sich vielleicht leichter anhand eines Filmes erklären: Der Drehbuchautor schreibt zuvor die Geschichte, aber die Stimme aus dem Off erzählt im Film, was geschieht. Der Erzähler in einer Geschichte ist die Stimme, die den Film im Kopf des Lesers entstehen lässt.
Wie genau muss man sich den Erzähler nun vorstellen?
Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Erzählformen unterscheiden: Der Ich-Erzähler und der Er-Erzähler. Was schon hier oft verwechselt wird: Auch bei dem Ich-Erzähler handelt es sich nicht um den Autor.
Ein Beispiel: Unsere Protagonistin heißt Lisa.
Wenn du Lisas Geschichte in der Ich-Form schreiben willst, ist der Erzähler mit Lisa quasi identisch. Der Erzähler berichtet aus Lisas Perspektive die Handlung: Was sieht sie, was erlebt sie, was fühlt sie? Dabei kann der Erzähler aus der aktuellen Situation heraus erzählen (erlebendes Ich) oder aus Lisas Vergangenheit berichten (erzählendes Ich: „Damals habe ich…“).
Der Er-Erzähler kann drei verschiedene Ausprägungen haben: Entweder ist er allwissend, kann die Handlung vollständig überblicken, Dinge voraussagen und die Gedanken und Gefühle alle Figuren schildern. Er steht quasi über dem Geschehen, auf einer Ebene mit dem Autor. Dabei kann er stark kommentierend die Geschichte begleiten (Nähe) oder vollkommen neutral erzählen, was geschieht (Distanz).
Oder der Erzähler hat nur eine eingeschränkte Perspektive: Entweder die der Protagonistin Lisa, dann kann er nur ihre Gedanken und Gefühle schildern, oder jene einer Nebenfigur, zum Beispiel Lisas bester Freundin. In beiden Fällen herrscht dabei eine große Nähe zu den Figuren. Umso weniger Einblick der Leser in die Gedanken und Gefühle der Figuren hat, umso distanzierter ist der Erzähler. In diesem Fall muss die Nebenfigur auch gar nicht deutlich benannt werden und kann ein namenloser Beobachter sein.
Es gibt also viele verschiedene Ausprägungen, die der Erzähler haben kann. Wie er sich darstellt, ist dabei abhängig davon, wie du als Autor die Geschichte präsentiert haben möchtest. Vielleicht ist es hilfreich, den Erzähler als zusätzliche Figur zu konzipieren, ohne ihr einen Namen zu geben. Nun kannst du dir selbst deutlich machen, wie der Erzähler angelegt werden soll und auf welche Weise er deine Geschichte erzählt.
In diesem Sinne: Auf gute Zusammenarbeit!
Eure Alex
Photo by israel palacio on Unsplash
Ein sehr interessanter und für manchen wohl auch hilfreicher Artikel !
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Das Thema bringt mich zurück zum Studium, wo wir einige heftige Diskussionen zu dem Thema Erzähler – Autor geführt haben. Ich fand es Anfangs auch sehr schwierig dort einen Unterschied zu sehen, aber je mehr man sich mit dem Ganzen beschäftigt und sich Gedanken macht, umso leichter wird es. :)
Ich find das auch schön wie du es beschrieben hast. Sehr leicht und verständlich! Und dein Beispiel mit dem Film muss ich mir auch mal merken, falls mich da mal wieder jemand nach fragen sollte. :D
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Ja, ich merke auch immer wieder im Deutschunterricht, wie schwer den Schülern der Unterschied fällt. Aber wenn man ihn einmal begriffen hat, ist es ganz leicht. Aber bis dahin…^^
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Das glaube ich dir auf’s Wort das es deinen Schülern anfangs schwer fällt. Aber wie sagt man so schön? Übung macht den Meister! :D
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