Wenn man Fantasy schreibt, kommt man früher oder später nicht drumherum: Worldbuilding. Es scheint, dass das Schaffen einer Welt unter Fantasyautoren gleichermaßen geliebt und verhasst ist. Größter Streitpunkt ist jedoch mit Sicherheit immer der Umfang, in dem dieses betrieben wird (oder werden sollte).

Ich definiere ich für mich den Begriff als jenen Arbeitsschritt, bei dem aus einer bloßen Projektionsfläche für den Plot, durch viel Detailarbeit eine realistische Welt entsteht. Dabei geht es nicht allein um das physische Äußere, sondern auch um allerhand soziale Aspekte: Wie genau sieht das Leben aus, in der die Handlung der Geschichte verortet ist?

Hierzu gehören allerhand Fragen, deren Beantwortung auf dem ersten Blick nichts mit dem eigentlichen Plot zu tun haben. Sie sind jedoch nicht unerheblich, um ein stimmiges Gesamtbild zu entwerfen und die Charaktere vor einem glaubwürdigen Hintergrund agieren zu lassen. Hintergrund ist dabei ein wichtiges Stichwort: Neben Flora, Fauna und geografischen Beschaffenheiten sind soziale und historische Hintergründe wichtig, um eine in sich geschlossene, logische Welt zu erschaffen. Besonders diese Hintergründe können Charakteren Tiefe geben, ihre Überzeugungen, Erfahrungen, Motivationen auf Grundlage ihrer Herkunft, Erziehung, Bildung und Sozialisation erklären.

Aber was genau gehört denn nun zum Worldbuilding dazu?

Während die einen lange Listen und ausführliche Fragenkataloge bereithalten, konzentrieren sich andere auf ihr Bauchgefühl und erarbeiten nur das, was tatsächlcih wichtig für die Geschichte ist.

Zwar bin ich selber ein großer Fan von detaillierten Fantasywelten, habe aber den Weltenbau bei meiner eigenen Geschichte lange Zeit zurückgestellt. Zu unwichtig erschienen mir die Details für die Geschichte, zu aufwendig, passende Antworten auf Fragen zu finden, die ich zuvor noch nie bedacht hatte. Nach dem Abschluss meiner Rohfassung im Januar habe ich mich jedoch noch einmal ausführlich an die Aufarbeitung meines Weltenhintergrundes gemacht. Diese Reihenfolge kann ich nur empfehlen: Schreibratgeber für Fantasy-Literatur stellen das Worldbuilding ja immer vor den Schreibprozess. Das Problem, dass ich jedoch zu diesem Zeitpunkt hatte, war, dass ich noch keine konkret fassbare Vorstellung von meiner Welt hatte und all die tiefgründigen Hintergrundfragen wohl nur aus einer Laune heraus irgendwie beantwortet hätte. Nach dem Schreiben war meine Vorstellung im Kopf deutlich konturierter. Viele Antworten waren nun schnell gefunden und es fiel mir leichter, sie  in die eigentliche Geschichte sinnvoll mit einfließen zu lassen.

Zu den geografischen Aspekten gehören, wie bereits oben erwähnt, Ausprägungen von Flora und Fauna, aber auch klimatische Bedingungen und die landschaftliche Gestaltung der Welt, um seltsame Kombinationen wie mediterrane Olivenbäume in alpinen Berggebieten zu vermeiden. Außerdem stellt sich natürlich die Frage, inwieweit in unserer Welt typische Pflanzen und Tiere auch in der ausgedachten Welt vorkommen oder inwieweit sich diese voneinander unterscheiden.
Darauf aufbauend stellt sich auch die Frage nach Grenzen, Fluss- und Wegbezeichnungen, sowie die Gestaltung von Dörfern und Städten und deren Handelsbeziehungen.

Letzteres geht bereits fließend in die sozialen Aspekte des Worldbuildings über. Ganz allgemein sollte man sich einmal überlegt haben, wie die Welt, wie sie jetzt ist, entstanden ist (ob da eine eigene Urknalltheorie von Nöten ist, muss jeder selber wissen): Welche historischen Ereignisse haben die Welt geprägt? Wie ist sie zu diesem Reichtum oder zu dieser Armut gelangt? Eng verknüpft mit diesem Punkt sind religiöse Fragen nach Schöpfungmythen, Glaubensritualen sowie Festen, die meist religiös geprägt sind. Diese Fragen sind jedoch stark abhängig davon, wie wichtig Religion in deiner Geschichte ist. Sie völlig zu vernachlässigen hieße jedoch, einen nicht unbedeutenden Teil kultureller Entwicklung außen vor zu lassen.

Daran anschließend lässt sich noch weiter ins Detail gehen:
– Gesellschaftsschichten
– Bildung und Schulwesen
– Währung
– Sagen und Geschichten
– typisches Essen, Getränke
– Regierungsform (Wahlrecht)
– Gleichberechtigung
– Umgang mit Sexualität
– technologischer Stand
– Spiele, Sport, Freizeitbeschäftigungen
– Medien

Die genannten Aspekte sind jene, die ich in meinem Hintergrund aufgegriffen habe. Das heißt nicht, dass diese in jeder Geschichte zwingend notwendig betrachtet werden müssen. Grundsätzlich kann man sagen, dass, umso kürzer die Geschichte, umso kleiner die Welt sein kann. Da reicht es, ein paar konkrete Eckpunkte zu haben, um ein realistisches Gesamtbild zu erschaffen. Umso umfangreicher der Storyarche jedoch wird, umso weitreichender sollte man sich Gedanken machen. Denn: Um eine gute Geschichte zu schreiben, braucht es meines Erachtens nicht nur einen guten Plot. Es braucht auch allerhand Drumherum. Die Figuren müssen abseits der Haupthandlung auch ein Privatleben haben. Und an dieser Stelle fragt sich: Was macht der Protagonist eigentlich, wenn er nicht gerade Drachen tötet oder Prinzessinnen rettet?

Ich rede dabei nicht von Zähneputzen und Mittagessen, ich rede von den Dingen, die die Figuren in ihrem täglichen Leben beschäftigen: Ihre Hobbys, ihre Arbeit, ihre Schule, Kollegen, Nachbarn, Klatsch und Tratsch. Was ist dem einfachen Bauern wichtig, worüber reden alle in der Stadt und welchem großen Ereignis fiebern alle entgegen?Letztendlich dienen all diese Hintergrundfragen dazu, einen glaubwürdigen Alltag zu erschaffen, den viele Leser des Öfteren vermissen.

Anschaulich und voller Fragen an deine Geschichte klärt Nela Nequin darüber auf ihrem Blog auf. Schaut gern vorbei, ich kann den verlinkten sowie weitere Beiträge nur wärmstens empfehlen!

Eure Alex

Photo by Randolph Domingo on Unsplash

8 Antworten auf „Worldbuilding – was gehört dazu?

      1. Ja das stimmt… allerdings stelle ich auch immer mehr fest, dass die Welterstellung für mich eher hinten dran gehört. Sie entsteht beim schreiben und ich kann sie erst im Nachhinein ausbauen, mit „Sekundärliteratur“ versehen, Karten zeichnen etc. Da ich keine Romane schreibe, ist das ohnehin leichter. In Kurzprosa und Kurzgeschichten und Spielewelten kann sie sich Schritt für Schritt entwickeln und die einzelnen Abschnitte sind viel übersichtlicher als in einem dicken Roman. Ich verheddere mich auch nciht so leicht, bzw. es fällt schneller auf und ist leichter zu korrigieren.
        Karten zeichnen ist eigentlich was ganz tolles… aber aus irgendeinem Grund verliere ich da schnell die Lust, ich glaube es liegt an übersteigerten Ansprüchen und alles auf einmal wollen :-D Demnächst gibts einen neuen Anlauf, mal sehen, wie das wird. :)

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      2. Ja, das habe ich auch festgestellt: Nach dem Schreiben ist es deutlich leichter, die Welt, in der alles handelt, zu erschaffen. Vor der Rohfassung meines Romans konnte ich das auch nicht. Und im Kartenzeichnen bin ich gar nicht gut^^ dementsprechend quäle ich mich mit sowas :D

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      3. Ich hab mich zum Thema Kartenzeichnen ein wenig über YouTube umgesehen und mir einige Tipps geholt, da gibt es ziemlich viele Videos zu. Danach ging es deutlich besser von der Hand :-)

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  1. Ich habe im Gegensatz dazu die Erfahrung gemacht, dass ich nicht das eine vor das andere Stellen darf. Es muss sich bei mir abwechseln und in einander fließen. Wenn der Weltenbau am Ende kommt, fallen oft einige Logiklücken auf, nur leider nicht immer einem selbst, sondern viel mehr Anderen. Aber ausschließlich auf die Welt konzentrieren klappt auch nicht, da muss zwischendurch „Leben“ rein. :D

    Toller Artikel, vielen Dank für deine Sicht auf dieses Thema.

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  2. Weltenbau Wissen ist eine wunderbare Sammlung, wie ich finde. Ich liiiebe Weltenbau. Momentan noch ein anderes Projekt zu Ende bringen und dann tauche ich ab 😁

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