Wie kann man beschreiben, dass eine Figur wütend ist? Tatsächlich ist das nicht gerade eine meiner Stärken: Gefühle anschaulich in Worte zu fassen. Schnell tippen sich die Klassiker wie „ballte die Hände zu Fäusten“ und „lief vor Wut rot an“ runter. Emotional mitreißen kann man die Leserschaft mit diesen abgedroschenen Phrasen aber schon lange nicht mehr.
Aber wo andere hernehmen?

Twitter hat mir zum Glück einen ganzen Sack voll alternativer Beschreibungen geliefert:
Zähne aufeinanderpressen, irgendwo gegentreten, tief durch die Nase atmen, Hitzewallungen, pulsierender Herzschlag, Kiefer anspannen, Luft anhalten, Schnauben, Knurren, um Kontrolle ringen, die Augen zusammenkneifen, vor Zorn die Tränen in die Augen treten, Stimme beben, Lippe zittern, rote Flecken am Hals bekommen oder gar Gorillalaute von sich geben, …
– die Liste war lang und bisweilen sehr amüsant! :D

Leider kann man als Autor nicht bei jedem Satz das Internet nach der passenden Formulierung befragen. Schreiben ist und bleibt eine Tätigkeit für sich allein, auch wenn der Austausch mit anderen Autoren deutlich umfangreicher und leichter geworden ist durch die Vernetzung in den sozialen Medien.

Als hilfreich haben sich für mich zuletzt folgende Tipps herausgestellt:
1. Sich an sich selbst erinnern: Wie fühle ich mich in dieser Situation? Wie reagiere ich darauf? Es gibt keinen direkteren Zugang zu einem Gefühl als den eigenen.
2. Genaues Beobachten: Was machen andere, wenn sie wütend, traurig oder hilflos sind? Meist kann man sich daran nicht konkret erinnern, weshalb sich diese Methode nicht zur spontanen Formulierungsfindung eignet. Es ist jedoch sinnvoll, immer mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, um aus diesen Beobachtungen später Anleihen zu nehmen.
3. Die eigenen Vorstellungen durch Bilder unterstützen: So simpel kann es manchmal auch sein: Einfach die Google-Suche nutzen und sich inspirieren lassen von dem, was einem dort geboten wird.

Ein ähnliches Kaliber sind übrigens die immer wieder „hochgezogene Augenbraue“, das „vernehmliche Räuspern“ oder der „durchdringende Blick“. Bestimmte Gestiken und Mimiken sind so sehr zum Sinnbild eines Figurentyps geworden (hier: attraktiver und unnahbarer Love Interest mit düsterem Geheimnis), dass sie anstatt die Figur Leben und Widererkennungswert einzuhauchen, eher formlos und austauschbar erscheinen lässt.

Die Kunst besteht also darin, eigene Bilder zu schaffen, statt immer nur auf Altbewährtes zurückzugreifen. Darin liegt die kreative Aufgabe des Schreibers: Etwas anschaulich und nachvollziehbar in Worte zu kleiden, sodass jeder weiß, was gemeint ist, und dennoch sprachlich etwas Neues zu schaffen, das den Leser mitten ins Herz trifft.

Wir lesen uns.
Alex.

Photo by Alex Iby on Unsplash

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