Der Tod – niemand will sich mit ihm beschäftigen, alle haben Angst, dennoch ist er Teil unseres Lebens. Und findet in seiner bedrückenden Endlichkeit insbesondere in Kunst und Kultur immer wieder Ausdruck.
Den Tod darzustellen, heißt, sich mit einem schweren, vielleicht dem schwersten Kapitel des menschlichen Daseins auseinanderzusetzen. Wir kennen ihn als Sensenmann mit dunkler Kapuze (Ruthe Comics), als skelettierten Schatten, der uns über die Schulter schaut (Selbstbildnis mit fiedelndem Tod) oder als Erlkönig (Goethe), der des Nachts mit süßen Verheißungen lockt.
In Romanen ist der Tod meist eine nüchterne Tatsache. Seine Darstellungen beschränken sich auf sein Ergebnis: starre Augen, leblose Körper, kein Herzschlag. Dabei ist das Lebensende eines Menschen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen – auch nicht für deine Figuren. Wer nicht gerade einen abgebrühten Hauptkommissar als Protagonisten auserwählt hat, sollte sich darüber im Klaren sein, dass der Tod für den Großteil der Menschen keine einfache Sache ist.
Ganz besonders gilt dies, wenn der Protagonist selbst für den Tod der Figur verantwortlich ist. Gefahrensituation hin oder her – einen Menschen zu töten, erfordert ein nicht zu überschätzendes Maß an Überwindung, besonders, wenn die Handlung in einer Welt spielt, in der Mord und Totschlag nicht zum Alltagsgeschäft gehören. Aber auch da muss man immer die Gewohnheiten und Befindlichkeiten jeder einzelnen Figur bedenken.
Der Tod ist in seiner Brutalität ein Moment des Schocks und Erschauderns. Er sollte die Figur nicht nur für zwei, drei Sätze beschäftigen, sondern sie verunsichern, vielleicht verängstigen, manchmal verändern. Sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, bedeutet immer auch, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Der Tod einer Figur kann somit einen bedeutenden Wendepunkt in der Geschichte einleiten.
Vor diesem Hintergrund ist es umso skurriler, wie häufig der Tod einer Figur als banales Randereignis abgewickelt wird. Besonders auf der Flucht, aber auch danach, bleiben emotionale Befindlichkeiten gerne auf der Strecke. Das Morden eines namenlosen Verfolgers scheint dann eine Leichtigkeit zu sein.
Dabei ist das Anhäufen von Leichen die wohl unspektakulärste Form, um einen Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Sobald das Töten der Figur zu leicht von der Hand geht, ist auch alle emotionale Betroffenheit des Lesers dahin – und der Mord an dem großen Widersacher ist dann nur noch einer von vielen, dem nichts Aufregendes mehr abgewonnen werden kann.
Der Tod einer Figur kann den fulminanten Höhepunkt deiner Geschichte darstellen – aber nur, wenn er glaubwürdig inszeniert und nicht von einem Berg weiterer Leichen literarisch begraben wird.
Eure Alex
Photo by Mathew MacQuarrie on Unsplash
Einen sehr interessanten Artikel hast du da wieder einmal geschrieben. Zwei Dinge möchte ich dazu gerne aufgreifen:
1. Die Bedeutunge eines Todes im Kontext zu anderen Leichen: Im letzten Band der Harry Potter-Hauptreihe werden so viele Charaktere (Remus Lupin, Tonks etc.) getötet, es gleicht schon fast einer Strichliste und die Trauerbeschreibung kommt meiner Ansicht nach etwas zu kurz.
2. Du hast eine wichtige Darstellung des Todes vergessen: Gevatter Tod aus der Scheibenwelt. Dieser ist nicht nur bestimmt durch seine PFLICHT (seine Auddprache, nicht meine), sondern auch durch seine Kuriosität gegenüber dem Verhalten und Denken der Lebenden. Alleine seine Bestrebungen das Konzept Spass zu verstehen ist einer der wunderbaren Kniffe, mit denen Pratchett dem Tod eine menschliche Seite hat geben können.
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Vielen Dank :)
Zu erstens gebe ich dir auf jeden Fall recht. So oder so ähnlich habe ich das auch in einigen anderen Büchern erfahren müssen. Besonders negativ ist mir das bei „Die Seiten der Welt“ von Kai Meyer aufgefallen.
Zu zweitens: Als ich den Artikel vor einiger Zeit schrieb, kannte ich den Tod aus der Scheibenwelt noch nicht. Gerade bin ich jedoch dabei „Alles Sense“ zu lesen und bin sehr gespannt, diese Darstellung des Todes besser kennen zu lernen ;)
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Ich wünsche dir viel Spass dabei. Er ist einer der Gründe, warum ich die Werke der Scheibenwelt liebe. ;)
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